Die Schweizer Benediktinerabtei Muri ist mit der Geschichte der Habsburger Dynastie eng verbunden. Das Kloster wurde 1027 von Radbot – Graf von Habsburg – gegründet und gilt daher als „Wiege” der Dynastie. Zahlreiche Mitglieder der Familie Habsburg sind hier begraben, und das Kloster fungierte über Jahrhunderte hinweg als geistiges und spirituelles Zentrum der Familie. Im 20. Jahrhundert spielte die Abtei Muri erneut eine wichtige Rolle: Hier wurde das Archiv Kaiserin Zita – Kloster Muri eingerichtet, das die schriftlichen, materiellen und bildlichen Erinnerungen des letzten ungarischen Königspaares, Karl IV. und Kaiserin Zita, sowie ihrer Kinder bewahrt. Die Aufarbeitung der Sammlung ist somit nicht nur eine archivarische Aufgabe, sondern auch eine symbolträchtige Arbeit, die die mittelalterlichen Wurzeln der Familie mit der historischen Erinnerung der Moderne verbindet.
Die derzeitige Arbeit ist eine Fortsetzung der Zusammenarbeit, die während unseres vorherigen Besuchs entstanden ist und deren Ziel es ist, das fotografische Erbe der Familie Habsburg aus dem 20. Jahrhundert zu entdecken, zu digitalisieren und langfristig zu bewahren. Die Sammlungen in Muri und Budapest ergänzen sich gegenseitig, sodass die regelmäßige fachliche Zusammenarbeit für beide Institutionen und die internationale Forschungswelt von großer Bedeutung ist.
Die Mitarbeiter der Foto- und audiovisuellen Sammlung der Otto-von-Habsburg-Stiftung, Szilveszter Dékány und Zita Lőrincz, haben im August 2025 einen Teil des Fotomaterials der Sammlung des Archivs Kaiserin Zita sortiert und digitalisiert. Der Nachlass ist auf verschiedenen Trägern erhalten geblieben: Fotoglasplatten, Negative, Dias, Alben und Filmaufnahmen, die zeitlich von den 1880er Jahren bis zum Ende des 20. Jahrhunderts reichen. Die Sammlung enthält zahlreiche Originalfotos, die von Mitgliedern der Familien Habsburg und Bourbon-Parma aufgenommen wurden und bisher unbekannte Seiten aus dem Leben der jungen Zita zeigen. Bei der Sortierung wurden mehrere Raritäten entdeckt, die nicht nur für die Familiengeschichte, sondern auch für die Erinnerung an Ungarn von Bedeutung sind. Einer der außergewöhnlichsten Teile ist die 1922 vom berühmten Atelier Perestrellos Photographos in Funchal angefertigte Glasnegativserie, die die Totenbahre Karls IV. zeigt. Ebenfalls einzigartig sind die Aufnahmen von Pál Zsámboky, dem ungarischen Erzieher der Habsburger Kinder, sowie eine Farbfilmaufnahme von der Hochzeit von Otto von Habsburg und Regina von Sachsen-Meiningen im Jahr 1951 in Nancy. Der vielleicht sensibelste Teil der Sammlung, die Sammlung von Glasnegativen und Negativrollen, wurde vollständig geordnet und digitalisiert.
Nach unseren Plänen werden im nächsten Schritt der gemeinsamen Arbeit weitere Fotomaterialien und Dokumente aufgearbeitet, die die Quellenbasis zur Geschichte der Familie Habsburg im 20. Jahrhundert weiter bereichern. Die Sortierung und Digitalisierung schaffen langfristig eine solche Grundlage, auf der nicht nur wissenschaftliche Arbeiten, sondern auch Ausstellungen und Online-Datenbanken aufbauen können. Auf diese Weise wird das historisch wertvolle Fotomaterial nicht nur erhalten, sondern bereichert auch das gemeinsame historische Gedächtnis. Wir bedanken uns auch hiermit für die Unterstützung und Hilfe der zuständigen Mitglieder der Familie Habsburg und des Archivars Dr. Josef Kunz.
Die Abtei Muri feiert 2027 ihr tausendjähriges Bestehen. Bis dahin werden wir durch die derzeitige Aufarbeitung und Digitalisierung ein noch vollständigeres Bild von diesem historischen Erbe erhalten, das gleichzeitig Familiengeschichte, nationales Gedächtnis und gemeinsames mitteleuropäisches Kulturerbe ist.