Wenn man über die Beziehung zwischen dem letzten ungarischen Thronfolger und der jüdischen Gemeinschaft spricht, muss man vor allem erwähnen, was für eine wichtige Rolle er bei der Menschenrettung während der deutschen Besatzung Frankreichs spielte. Die abenteuerlichen Ereignisse, wenn der letzte ungarische Thronfolger auch sein eigenes Leben riskierte, beweisen sein Engagement im Zusammenhang mit der jüdischen Gemeinschaft das er im Laufe seiner langen Karriere in seinen Artikeln und Äußerungen ausdrückte.
Otto von Habsburg, der in die dynastische Tradition nicht nur hineingeboren wurde, sondern versuchte als Geschichtsschreiber und Politiker auch darauf zu reflektieren, beschäftigte sich mehrmals mit der historischen Rolle der jüdischen Gemeinschaft während der Entstehung des Habsburger Reiches, besonders während der Regierung von Karl V. In seinem Buch, Die Reichsidee (1986), in dem er die historische Vorgeschichte der europäischen Integration untersuchte, schrieb er ein ganzes Kapitel mit dem Titel ,,Unsere jüdischen Wurzeln”. Er betont, dass die Elemente des Alten Testaments und des Neuen Testaments in der biblischen Tradition nicht getrennt werden können. In Betracht auf die historischen Zusammenhänge gibt er zu, dass die Beziehung zu der jüdischen Gemeinschaft in den Zeiten der Regierung seiner Vorfahren ziemlich wechselvoll war, von der Sicherung der vollen Gleichberechtigung bis zur offenen Diskriminierung und zu Pogromen, meistens in den östlichen Ländern. Im Zusammenhang mit der jüdischen Emanzipation parallelisiert er interessanterweise die jüdische Gemeinschaft und die Aristokratie, als ,,übernationale Elemente”, die man während der Verstärkung der nationalen Idee leicht zum Feind machen konnte. Er betont das Heldentum und die Selbstaufopferung der Soldaten jüdischer Herkunft im I. Weltkrieg, und die entscheidende Rolle der jüdischen Schriftsteller daran, dass mehrere Menschen die verbindende Rolle des ,,alten Österreichs” verstanden haben. Hier verweist er auf Joseph Roth, der in den 30er Jahren nicht nur solche ausgezeichneten Romane geschrieben hat, die an die Monarchie erinnern, wie zum Beispiel der Radetzkymarsch und die Kapuzinergruft, sondern kämpfte auch als aktiver Legitimist, der einen engen Kontakt mit Otto in Paris pflegte, und versuchte die Rückkehr des Thronfolgers zu unterstützen. Heute wissen wir, dass dieser Versuch nicht erfolgreich war, das Nazi-Deutschland nannte die Okkupation Österreichs 1938 vielsagend ,,Operation Otto”.
In Bezug auf die neuste Beziehung zwischen Otto von Habsburg und der jüdischen Gemeinschaft, also bezüglich seiner Gedanken über den jüdischen Staat, bewahrt unsere Stiftung einen Briefwechsel zwischen Ferenc Kenedy, ehemaliger Anwalt in Budapest und Mitarbeiter der in Tel Aviv erscheinende Zeitungen Neuer Osten und Woche, und zwischen dem letzten ungarischen Thronfolger. In seinem deutschsprachigen Brief vom 28. Juli 1959 aus Tel Aviv – dessen Anrede ,,Kronprinz”, also Thronfolger war, und in dem er als ,,treuer Untertan” sprach –, stellt er acht Fragen an Otto. Diese Fragen betreffen hauptsächlich Israels Bedeutung und Rolle, die eventuelle Aktualität der Judenfrage, die Beziehung zwischen den Habsburger und der mitteleuropäischen jüdischen Gemeinschaft, aber Kenedy interessiert sich auch für seine Meinung über Miklós Horthy, seine alltäglichen Beschäftigungen und für die mögliche Entwicklung der Weltpolitik. Am Ende stellte der Journalist die Frage: ,,Was für eine Botschaft hätte Ihre Majestät für die ungarischen Juden in Israel, die einmal in der Monarchie lebten?”
Otto antwortet mit umgehender Post und reagiert auf die Fragen ausführlich. Er folgte die Gründung des jüdischen Staates immer mit großem Interesse, da die moderne Form des zionistischen Denkens ,,in unserer Heimat in dem Donautal” geboren wurde – schreibt er in seinem Antwortbrief. Laut seiner Meinung ist die wichtigste Lehre, dass man mit Glauben und Entschlossenheit auch solche Sachen erreichen kann, die früher unmöglich zu sein schienen. Dies zeigt, dass der jeweilige Realismus irreführend ist, da er immer nur die greifbaren Gegebenheiten in Betracht zieht. Wenn man Otto von Habsburgs Schreiben kennt, ist es leicht zu erkennen, wie wichtig er fand, an den Umsturz des kommunistischen Regimes zu glauben. Er gibt zu, dass er Israel schon inkognito besuchte, möchte aber auf jeden Fall nochmal hinfahren. Hauptsächlich ist er neugierig, weil die verschiedenen Kulturen dort zusammenleben können und weil die sozialistischen und liberalen Ideen, Staats- und Wirtschaftsverwaltungsmethoden dort anscheinend so friedlich koexistieren.
Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus sieht er keine richtige Gefahr von übermäßigem Nationalismus auf dem Kontinent. Er beobachtet ,,die Zeichen der Zeiten” und zieht daraus die Schlussfolgerung, dass ,,die sogenannte Judenfrage ihre Bedeutung verlieren wird”, weil es – und hier blickt er fast nostalgisch auf die Monarchie zurück – der Donau entlang schon gelungen ist: die Gleichheit vor dem Gesetz, unabhängig von Herkunft und religiöse Anschauung. Der ehemalige Thronfolger erklärt mithilfe des internationalen Charakters der Juden aus der Donau-Region, dass man ,,den tieferen Sinn des ‘Donaureiches’ verstanden hat”, das von der ,,Dynastie” immer mit großem Verständnis und mit der Anerkennung der Rechte der Juden bestätigt wurde. Otto von Habsburg erwähnt die Regierungszeit von Franz I., und betont die Vorzüglichkeit von Vilmos Vázsonyi, der einen Eid auf die Thora schwor und für seinen Vater (IV. Karl) ,,arbeitete”, dessen Loyalität die untertänige Treue in den schwierigen Zeiten repräsentierte. (…)
Der ganze Artikel wird auf der Webseite www.szombat.org bald erreichbar sein.