Nachrichten


Fasziniert von Mitteluropa – Zur Erinnerung an Erhard Busek

Erhard Busek, ehemaliger österreichischer Vizekanzler, Wissenschafts- und Bildungsminister, ehemaliger Vorsitzender der ÖVP, Vorstandsvorsitzender des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa, ist am 13. März gestorben.

Fasziniert von Mitteluropa – Zur Erinnerung an Erhard Busek

Erhard Busek, ehemaliger österreichischer Vizekanzler, Wissenschafts- und Bildungsminister, ehemaliger Vorsitzender der ÖVP, Vorstandsvorsitzender des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa, ist am 13. März gestorben.

Über den am 25. März 1941 in Wien geborenen Politiker verrät schon der Titel der Laudation von Wolfgang Schüssel (ehemaliger österreichischer Kanzler) zu seinem 80. Geburtstag ganz viel: Ein bunter Vogel bleibt auch im Alter bunt (Schüssel über Busek: Ein bunter Vogel bleibt auch im Alter bunt | Die FURCHE). Man kann aber nicht sagen, dass die Politikerveteranen jemals enge Freunde gewesen wären. Busek, der sich in der Großen Koalition-Sondierungen sozialisierte, konnte Schüssel niemals verzeihen, dass er im Jahre 2000 mit der FPÖ eine Koalition bildete. In einem der letzten Interviews vor seinem Tod kritisierte er Schüssels Mandat im Aufsichtsrat des russischen Ölkonzerns LUKOIL – das der ehemalige Kanzler schon seitdem zurückgegeben hat. Obwohl Schüssel in seinem obengenannten Schreiben ihre Konflikte kurz erwähnte, betonte er hauptsächlich wie ideenreich Busek war. Dank dieser Eigenschaft konnte er schon anfangs seiner Karriere weit über die autoritäre, ein bisschen altmodische konservative Welt herausragen. Diese Kreativität war eigentlich, weshalb die ungarische politische Öffentlichkeit – besonders die Hauptfiguren der Wende – ihm viel zu danken haben.

Heutzutage würde es man vielleicht als politisches Produkt bezeichnen, in der Mitte der 80er war der Begriff „Mitteleuropa“ aber eher eine politische Invention aus persönlichen Motivationen, der für Busek, der seit 1978 der Vizebürgermeister von Wien war, nicht nur eine Ortsbestimmung bedeutete, sondern der Bewegungsraum der österreichischen Politik – und es blieb so bis zu seinem Tod. Erhard Busek und Emil Brix, der mehrmals Botschafter war und der Leiter der Wiener Diplomatischen Akademie ist, veröffentlichten ein Buch im Jahre 2018. Das Buch ist mittlerweile auch auf Ungarisch erreichbar: Közép-Európa újragondolása: Miért Közép-Európában dől el Európa jövője? (Mitteleuropa revisited: Warum Europas Zukunft in Mitteleuropa entschieden wird) „Revisited“ – so die Autoren. In diesem Fall ist es ganz persönlich zu verstehen, denn sie waren diejenige, die im Rahmen des Projekts Mitteleuropa im Jahre 1986 zuerst aus österreichischer Sicht verfassten, was sie über die Vergangenheit und Gegenwart der Region denken, und was für Möglichkeiten sie nach dem eventuellen Fall des Eisernen Vorhang sehen. Es lohnt sich an das damalige Lebensgefühl im Zusammenhang mit Mitteleuropa zurückzuerinnern, an die intellektuelle Attitüde, die die Intellektuellen aus Ungarn, Slowakei, Tschechen und Polen verknüpfte, manchmal auch einige aus Kroatien, Slowenien, Österreich und sogar aus Italien. Diese Attitüde überschritt Grenzen und politische Systeme, und damals sogar die verschiedenen politischen Meinungen innerhalb der Länder.

Bei uns war das wichtigste Forum des mitteleuropäischen gemeinsamen Denkens vielleicht die Zeitschrift Európai Utas, deren Redakteur Péter Módos war. Busek und Brix besuchten Ungarn mehrmals, ihre ungarische Stimme war der damalige Germanistikstudent, der heutige Besitzer und Redakteur von Inforádió, Márton Módos. Wir alle wussten, dass es im Zusammenhang mit Mitteleuropa nicht nur um kulturelle Zusammengehörigkeit geht. Von der Wende in Ungarn bedeutete selbst die Tatsache, dass das für immer verlorengegangen zu sein scheinende Mitteleuropa wieder Bürgerrecht gewinnen kann, dass es für die Menschen hinter dem Eisernen Vorgang neue Dimensionen des strategisch-politischen Denkens gibt. Wir waren von Optimismus erfüllt, da wir Österreich, das die Mitgliedschaft in der EU damals auch nur noch anstrebte, an unserer Seite hatten.

Man darf auch nicht vergessen, dass Péter Bokor seinen Film über Otto von Habsburg (Von Gottes Gnaden) im Jahre 1988 gemacht hat, der zum Zeitpunkt der meistgeschaute Film in Ungarn war. Als Privatperson besuchte Otto Ungarn schon im August 1987, nach der Filmpremiere wurde er dann immer beliebter.  Dank ihm wurde die Nostalgie an die Österreichisch-Ungarische Monarchie auch verstärkt, und er schaffte quasi eine positive Vorgeschichte für das wiederbelebende Mitteleuropa-Ideal. In Österreich war es aber nicht so einfach – wie auch heute nicht. In der republikanischen Republik Österreich ist die Beziehung zum Kaiserhaus, und zu dem damit zusammenhängenden politischen System – besonders für einen führenden Politiker – wenigstens widersinnig. In dem persönlichen Nachwort seines Buches aus 1986 spricht Busek nicht zufällig ein bisschen vage: „Es benötigte viele Gespräche, um zu erkennen: Mitteleuropa ist kein universales politisches Heilmittel, sondern ein Prinzip, das die Bürger auch in den Alltagen erleben können, und es ist kein neues Reich, sondern die Zukunft selbst.“

H 76 B (p-z) Erhard Busek

 

Das Archiv unserer Stiftung bewahrt einige Stücke aus dem Briefwechsel zwischen Otto von Habsburg und Erhard Busek. Diese sind hauptsächlich Aufforderungen, Dankschreiben und Gratulationen. Besonders ist aber eine Aufforderung vom 15. Dezember 1988. In diesem Brief machte der Vizebürgermeister von Wien Otto von Habsburg auf die Wichtigkeit der geplanten Weltausstellung Wien-Budapest 1995 aufmerksam, und forderte ihn an einem – großzügigen Projekt, das als eine Brücke zwischen Ost und West dient – Buch zusammenzuarbeiten. Busek betonte die weltpolitische Wichtigkeit des Projekts. Otto begrüßte die Idee in seinem sachlichen Antwortbrief vom 5. Januar 1989 mit großer Freude.

Wie es heute schon bekannt ist, die gemeinsame Weltausstellung kam nicht zustande, nach dem Briefwechsel gab es aber viele weltpolitisch wichtige Ereignisse. Die Idee der mitteleuropäischen Zusammenarbeit – wie es sich aus dem „revisited“ Buch von Busek und Brix herausstellte – ist nicht verschwunden, auch wenn es sich ziemlich viel veränderte. Erhard Busek – mit dem es nicht immer einfach war, einverstanden zu sein –, hat viel getan, um die Foren dieser regionalen Diskussion zu bewahren.

Ruhe in Frieden!

Gergely Prőhle