Es ist weniger bekannt, dass Otto von Habsburg nicht nur eine starke Affinität zu politischen Themen zeigte und bald zu einem wichtigen Akteur in der europäischen und Weltpolitik wurde, sondern auch die Entwicklungen in der Wirtschaftstheorie und die weltwirtschaftlichen Trends genau verfolgte. Seine Ansichten wurden in erster Linie von Denkern späterer Generationen der Österreichischen Schule der Volkswirtschaftslehre geprägt, die die Aktivitäten der Mont-Pelerin-Gesellschaft, der er in den 1950er Jahren beitrat, maßgeblich mitgestalteten. Die Untersuchung der Verbindungen zwischen dem ehemaligen Thronfolger und den prominenten Persönlichkeiten der Österreichischen Schule ist jedoch nicht nur von historischem Interesse: Sie gibt auch Aufschluss darüber, wie die Schule die Wirtschafts- und Sozialpolitik der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts geprägt hat, und kann wertvolle Hinweise über die wirtschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit liefern.
Unsere Stiftungsveranstaltung Ende Oktober in Wien, die im historistischen Gebäude der Vereinigung der Österreichischen Industrie am Schwarzenbergplatz stattfand, bot Gelegenheit, all diese Themen zu diskutieren. Es ist interessant festzustellen, dass die Führung der Organisation, die die Interessen der Industriellen vertritt, und Otto von Habsburg über Jahrzehnte hinweg eine enge Beziehung pflegten, nicht nur durch seine Verbindung mit dem Gründungspräsidenten Hans Lauda, dem Großvater des berühmten Rennfahrers Niki Lauda, sondern auch durch Herbert Krejci, der viele Jahre lang als Generalsekretär tätig war.
In seiner Eröffnungsrede versuchte der Direktor unserer Stiftung, Gergely Prőhle, die wirtschaftlichen Interessen unseres Namensgebers in den Kontext zu stellen und sie im Lichte der umfassenderen Tätigkeit des ehemaligen Politikers zu präsentieren. Er zitierte aus zwei Aufsätzen von Otto von Habsburg, die sich beide mit der Bedeutung des Einzelnen und der Rolle des freien Marktes in der Wirtschaft befassten, und unterstrich die Bedeutung des Subsidiaritätsprinzips. Edit Szilágyiné Bátorfi, die ungarische Botschafterin in Österreich, die nicht nur als Diplomatin, sondern auch als Wirtschaftsexpertin aktiv an der Veranstaltung teilnahm, beschrieb die Relevanz der Veranstaltung im Zusammenhang mit der Priorität der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft, die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Christoph Neumayer, Generalsekretär der Vereinigung der Österreichischen Industrie, erinnerte in einer persönlichen Einführung an seine Begegnung mit Otto von Habsburg vor einigen Jahrzehnten bei der Vorstellung eines Bandes, an dessen Herausgabe er selbst zusammen mit Helmut Wohnout, Generaldirektor des Österreichischen Staatsarchivs, aktiv beteiligt war. Der Generalsekretär betonte auch die Aktualität der Grundprinzipien der österreichischen Schule und wies darauf hin, dass die Lehren aus historischen Erfahrungen besonders wertvoll sind, um den heutigen Herausforderungen zu bewältigen.
In seinem Hauptvortrag wies Wilhelm Molterer, ehemaliger Finanzminister und Vizekanzler Österreichs, darauf hin, dass der Einfluss der österreichischen Schule der Volkswirtschaftslehre anfangs relativ begrenzt gewesen sei, nach der Weltwirtschaftskrise noch weiter an den Rand gedrängt wurde und erst nach der Enttäuschung über die keynesianische Wirtschaft und die zentrale Planung und Geldpolitik im Allgemeinen an Bedeutung gewann. Er betonte, dass aktuelle Herausforderungen wie die Klimakrise und Kriege im breiteren Kontext der Transformation der globalen Ordnung betrachtet werden müssten, und wies darauf hin, wie die von der Schule vertretenen Prinzipien dazu beitragen könnten, die Widerstandsfähigkeit der heutigen europäischen Volkswirtschaften zu stärken.
Die folgenden Überlegungen begannen mit einer Rede von Gergely Kőhegyi, stellvertretender Abteilungsleiter an der Corvinus-Universität Budapest. In seinem Vortrag skizzierte er die Vorgeschichte, die Wirkungsgeschichte und die Rezeption der österreichischen Schule der Volkswirtschaftslehre und hob die wichtigsten Eckpfeiler ihres Denkens hervor. Er sagte, dass die Schule die Rolle des Einzelnen und seine persönlichen Präferenzen betone und auch der mathematischen Beschreibung wirtschaftlicher Zusammenhänge abgeneigt sei. Bence Kocsev stellte anhand von Dokumenten aus der Sammlung unserer Stiftung die Verbindungen Otto von Habsburgs zu Zeitgenossen der Bewegung wie Friedrich August von Hayek, Ludwig von Mises und Fritz Machlup vor. Er erörterte die Rolle unseres Namensgebers in der Mont-Pelerin-Gesellschaft, die wichtigsten Lehren aus dem Briefwechsel zwischen dem ehemaligen Erzherzog und den Ökonomen, die die Organisation maßgeblich geprägt hatten, und beleuchtete kurz den Einfluss der von der Gesellschaft vertretenen Grundsätze auf die politischen Positionen des ehemaligen MdEP.
Nach den Präsentationen analysierten Wilhelm Molterer und Gergely Kőhegyi in einer Podiumsdiskussion, die von Botschafterin Edit Szilágyiné Bátorfi eingeleitet und moderiert wurde, zunächst die Lehren aus der Wende in Mitteleuropa. Anschließend gaben die Teilnehmer einen tieferen Einblick in die Frage, wie das globale Wirtschaftsumfeld die regionalen Möglichkeiten beeinflusst, und zeigten Strategien auf, die europäische Länder zur Steigerung ihrer künftigen Wettbewerbsfähigkeit anwenden könnten.
Die Veranstaltung wurde durch die Musik der in Wien lebenden Künstlerin Margit Víg und ihres Sohnes Christoph Urbanetz, der Barockgeige und Viola da Gamba spielte, bereichert und endete mit einem Empfang.