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Grenzen der Nichtübereinstimmung – wichtige Diskussion im Rahmen unserer V4-konferenz

Am 22. April 2022, in der Széchenyi Festsaal der Ludovika organisierten die Ott-von-Habsburg-Stiftung und das Institut für Strategische Studien der Nationale Universität für den Öffentlichen Dienst eine Konferenz mit dem Titel ,,Gemeinsame Interessen, gemeinsame Werte? – Die Beziehung zwischen Deutschland und den Visegrád-Staaten in Zeiten neuer Herausforderungen“. Das Ziel der anlässlich der ungarischen Präsidentschaft der Visegrád-Gruppe organisierten Diskussion war, die letzte drei Jahrzehnte und die zukünftigen Möglichkeiten der Beziehung zwischen Deutschland und den Visegrád-Staaten zu analysieren.

Grenzen der Nichtübereinstimmung – wichtige Diskussion im Rahmen unserer V4-konferenz

Am 22. April 2022, in der Széchenyi Festsaal der Ludovika organisierten die Ott-von-Habsburg-Stiftung und das Institut für Strategische Studien der Nationale Universität für den Öffentlichen Dienst eine Konferenz mit dem Titel ,,Gemeinsame Interessen, gemeinsame Werte? – Die Beziehung zwischen Deutschland und den Visegrád-Staaten in Zeiten neuer Herausforderungen“. Das Ziel der anlässlich der ungarischen Präsidentschaft der Visegrád-Gruppe organisierten Diskussion war, die letzte drei Jahrzehnte und die zukünftigen Möglichkeiten der Beziehung zwischen Deutschland und den Visegrád-Staaten zu analysieren.

Die Zusammenarbeit der V4-Gruppe hatte wegen der Pandemie in den letzten Zeiten viele Herausforderungen, aber Russland – das seinen ehemaligen Einfluss in dem postsowjetischen Raum zurückstellen versucht und sich auch von der Kriegsagression nicht abhalten lässt – stellt die Kooperation auch vor Kraftprobe. Trotz der früher intensiven Zusammenarbeit wurden die früheren Bruchlinien nach dem 24. Februar noch mehr auffällig, und sie haben die bisher gut funktionierende Funktionsmechanismen geändert, darunter auch die bisher zielführende politische Praxis – die die heiklen Fragen vermeidet und sich auf pragmatische Kooperation beruht.

Wie das von mehreren Teilnehmern angesprochen wurde, in der aktuellen Situation, wenn die Kooperation von ihrem Schwung verlieren zu scheint, sind die entsprechende Harmonisierung der Ziele und Werte, und die Weiterentwicklung der ,,respektvollen Nichtübereinstimmung“ besonders nötig. Die letzteren Schockwirkungen betrafen aber nicht nur den inneren Zusammenhalt der V4-Kooperation, sondern machten auf viele aktuellen wirtschaftlichen und politischen Fragen im Zusammenhang mit den Beziehungen zu Deutschland aufmerksam.

In seiner Begrüßung erinnerte Gergely Prőhle (Direktor der Otto-von-Habsburg-Stiftung) an das intensive Engagement der Intellektuellen für Mitteleuropa in der Wendezeit, und daran, wie hilfreich diese ,,imaginäre Gesellschaft“ in dem damaligen politischen Dilemma war, und dass sie solche Interpretationsrahmen anboten, die die graue Realität des sozialistischen Blockes und die Zweiteilung des Kalten Krieges überwindeten. Er betone weiterhin, dass besonders in den schwierigen politischen Situationen wie heute, wenn die verschiedenen Schwerpunkte der Beurteilung des ukrainischen Krieges die Zusammenarbeit vor Kraftproben stellen, ist der ehrliche Dialog besonders wichtig.

Zsolt Németh (Präsident des Parlamentarischer Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten) betonte in seinem Einführungsvortrag, dass die V4-Gruppe eine eigenartige mitteleuropäische politische Kooperation ist, und deren Partnerschaft zu Deutschland ein echter politischer und wirtschaftlicher Erfolg ist. Die bisher auf pragmatische Gründe ruhenden Beziehungen wurden aber von der Krise des Krieges deutlich verändert. Seiner Ansicht nach steht Ungarns Standpunkt näher zu der deutschen als zu der polnischen oder zu der angelsächsischen Position. Die Situationsbewertung erfolgt aufgrund verschiedener Gesichtspunkte, aber es bedeutet nicht, dass die Beurteilung des Krieges nicht das gleiche wäre, und wie die anderen Mitgliedstaaten, Ungarn hat auch aktiv und engagiert an der europäischen Sanktionspolitik teilgenommen, und wird auch in der Zukunft so tun. Wenn man die entstandenen Umstände aus europäischer Sicht betrachtet – so Herr Németh – lassen sich die letzten Monate doch auf eine immer stärkere europäische Einheit hoffen.

In der Einleitung seines Vortrags machte Markus Meckel (der letzte Außenminister der DDR und ehemaliger Abgeordnete der Sozialdemokraten im Bundestag) darauf aufmerksam, dass die Visegrád-Staaten und Ostdeutschland durch die Wende ein gemeinsames historisches Erbe haben, und betonte die Wichtigkeit der einzigartigen mitteleuropäischen Erfahrungen. Infolgedessen lässt sich der Beitritt der mitteleuropäischen Länder zu der euro-atlantischen Gemeinschaft als Verbreitung der Integration interpretieren. Er fügte aber hinzu, dass die Europäische Union eine solche Werte- und Rechtgemeinschaft ist, die für alle Mitgliedstaaten, also auch für die Visegrád-Staaten mit Verpflichtungen einhergeht. In seinem Exposee betonte der deutsche Politiker: der russisch-ukrainische Krieg hat mehr denn je deutlich gemacht, dass es dringend notwendig ist, die Beziehungen innerhalb Europas, besonders die Beziehungen zwischen Deutschland und den Visegrád-Staaten – die seiner Meinung nach sehr wichtig sind – zu überdenken. Seiner Ansicht nach trägt dieses dazu bei, dass man aufgrund der gemeinsamen Werten und des gegenseitigen Respekts ein einheitliches Zukunftsbild über Europa ausarbeitet.

Im Rahmen der Bewertung des historischen Kontexts, des Hintergrundes und der heutigen Situation der V4-Kooperation hat Iván Bába (ehemaliger Botschafter in Warschau und Staatsekretär für Auswärtige Angelegenheiten) darüber gesprochen, wie wichtig die auf einer einzigartiger Weise mitteleuropäische Erfahrungen sind, die unentbehrliche Voraussetzungen des Zusammenschlusses waren und die auch heute die Basis für die V4-Zusammenarbeit bedeuten. Er denkt, dass sowohl die politischen als auch die gesellschaftlichen Bedingungen der Wendezeit optimal waren, um eine solche Partnerschaft auszubauen und obwohl die Intensität der Kooperation in den letzten Jahrzehnten ziemlich schwankend war, ist es wichtig zu betonen, dass die ungarische Regierung seit 2010 einen großen Wert auf die Vertiefung der Beziehung zwischen den Visegrád-Staaten legt.

Der sicherheitspolitische Aspekt wurde von András Rácz (wissenschaftlicher Mitarbeiter des Forschungsinstituts für Strategie und Verteidigung an der Nationale Universität für den Öffentlichen Dienst) zusammengefasst. Er hat über Mitteleuropas Beziehung zu Russland und zu der Ukraine gesprochen, vor allem im Zusammenhang mit der Annexion der Krim im Jahre 2014 und mit der russischen bewaffneten Aggression seit Februar. Der Wissenschaftler betonte, dass sich die bestehenden Bruchlinien in dem bezüglich der russischen Fragen geteilten Europa in den letzten Wochen weiterhin verstärkten. Mit diesen Konsequenzen intelligent und überlegt umzugehen ist unsere gemeinsame Verantwortung.

Als Tomáš Strážay (Direktor des Slovak Foreign Policy Associations) und Jakub Eberle (der wissenschaftliche Direktor des Institute of International Relations in Prague) den außenpolitischen Kontext der Situation analysierten, haben sie darauf hingewiesen, dass die oftmals verschiedene Interessen der Visegrád-Staaten unter den aktuellen Umständen auffälliger werden, aber die auf gemeinsame Ziele beruhenden pragmatischen Partnerschaft – darunter die weitere Verstärkung der Beziehungen zu Deutschland – eine Lösung für die Probleme bedeuten kann, wenn man die bestehenden Möglichkeiten zugrundenimmt. Es besteht aber keine Zweifel daran, und beide Referenten waren darüber einig, dass die V4-Kooperation wegen der verschiedenen Meinungen über die aktuelle Situation eine weniger harmonische Periode hat, die zwar von keiner unauflösbaren Widerspruch belastet ist, aber eine angemessene Lösung braucht.

Bezüglich der Kooperation zwischen Deutschland und den Visegrád-Staaten haben Jürgen Illing (ehemaliger Geschäftsführer der Deutsch-Ungarischen Industrie- und Handelskammer) und Piotr Arak (Direktor des Polish Economic Institute) vor allem die wirtschaftlichen Aspekte zusammengefasst. Sie haben dargestellt, dass die Region aus der in den letzten drei Jahrzenten entstandenen abwechslungsreichen Wirtschaftsbeziehungen und aus der neusten wirtschaftlichen Expansion Deutschland viel profitiert hat. Die Wert- und Versorgungsketten, die sich in den letzten Zeiten ziemlich verändern, und der wirtschaftliche Strukturwandel können aber die Zukunft wesentlich verändern. Die Referenten haben mitgeteilt, dass es wünschenswert wäre, pragmatische Grundlage für die Zusammenarbeit zu schaffen, aber während der politischen Entscheidungsfindung die politischen und wirtschaftlichen Aspekte auch nicht vergessen werden würfen – und in dieser Situation ist dieses besonders wichtig. Darüber hinaus wäre es ziemlich notwendig, die psychologischen Faktoren – die die Investititonszuversicht beeinflussen – auch in Betracht zu ziehen.

 

Fotos von Dénes Szilágyi