Aufgrund seiner dynastischen Wurzeln und Sozialisation waren sprachliche Vielfalt und multiethnisches Zusammenleben für Otto von Habsburg ein integraler Bestandteil des Alltags. Diese Erfahrung wurde zu einem prägenden Element seiner späteren politischen Vision für Europa, in der solche Vielfalt nicht als Bedrohung, sondern als wesentliche Ressource für die Integration angesehen wurde. In diesem Zusammenhang war der Besuch der Otto-von-Habsburg-Stiftung eine passende Ergänzung des internationalen Programms der katholischen Universität in Budapest zum Thema „Law and Language“.
Bence Kocsev gab den Zuhörern einen Überblick über die Umstände der Gründung der Stiftung, die wichtigsten Bereiche ihrer Aktivitäten und Ziele und ging dabei auf die gegenseitige Abhängigkeit und reflektive Beziehung zwischen der Arbeit in der Sammlung und der Pflege des intellektuellen Erbes ein. Er erklärte, wie die Aufarbeitung und Präsentation historischer Dokumente dazu dienen kann, das ideologische und politische Erbe Otto von Habsburgs neu zu interpretieren, während die Pflege seines intellektuellen Erbes neue Perspektiven und Relevanz für die historische und archivarische Arbeit bietet.
Im Einklang mit dem Thema der Sommeruniversität ging unser Kollege anschließend auf jene Aspekte der öffentlichen und politischen Laufbahn unseres Namensgebers ein, die sein Engagement für sprachliche und kulturelle Vielfalt verdeutlichen. Er hob hervor, dass Otto von Habsburgs Einstellung in der seit Beginn der europäischen Integration bestehenden Debatte um Föderalismus und Zentralismus durch seine Überzeugung interessant wird, dass sprachliche Selbstbestimmung für die Identität, das Selbstverständnis und die Selbstdarstellung einer souveränen Gemeinschaft unerlässlich ist. Er beschrieb auch, wie Otto von Habsburg als ehemaliger Thronfolger und Mitglied des Europäischen Parlaments für die Rechte nationaler Minderheiten und der ihrer Souveränität beraubten Nationen eintrat, insbesondere in den von der Sowjetunion beeinflussten Ländern Mittel- und Osteuropas. In der Präsentation wurde auch betont, dass Otto von Habsburgs Engagement für die Rechte von Minderheiten nicht nur eine moralische Pflicht war, sondern auch eine der wichtigsten Prüfsteine für die Glaubwürdigkeit und Lebensfähigkeit der europäischen Demokratie. Darüber hinaus setzte er sich konsequent für die Bewahrung der Reinheit der europäischen Sprachen ein und kritisierte wiederholt den „Imperialismus“ der englischen Sprache, der seiner Ansicht nach zu einer Vereinheitlichung führte. In diesem Sinne verbündete er sich mit dem französischen gaullistischen Politiker Maurice Druon, einem ehemaligen Generalsekretär der Académie Française und Kulturminister, mit dem er eine informelle Arbeitsgruppe innerhalb des Europäischen Parlaments gründete, die sich für die Popularisierung der französischen Sprache einsetzte.
Zum Abschluss des Besuchs hatten die Studenten und ihre Professoren die Gelegenheit, die Korrespondenz von Otto von Habsburg mit mehreren bekannten Persönlichkeiten sowie einige der Sonderbände der Bibliothek und einige interessante Artefakte aus unserer Sammlung zu begutachten.