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Mindszentys Offenherzigkeit – die Geistigkeit der Wende

Otto von Habsburgs Trauerrede auf der Wiederbestattung von József Mindszenty vor 30 Jahren.

Mindszentys Offenherzigkeit – die Geistigkeit der Wende

Otto von Habsburgs Trauerrede auf der Wiederbestattung von József Mindszenty vor 30 Jahren.

Am 4. Mai 1991 wurde der ehemalige Fürstprimas von Esztergom, József Mindszenty in Ungarn wiederbestattet. Otto von Habsburg nahm an der Veranstaltung teil und hielt auch eine Rede. Der ehemalige Thronfolger kam am 1. Mai in Budapest an, und nahm vor der Wiederbestattung an verschiedenen Programmen teil, unter anderem in Tata und Győr. Im Jahre 1991 besuchte er Ungarn schon zum vierten Mal. Die Reisen wurden hauptsächlich von dem Ingenieur Ádám Reviczky organisiert, der zu dieser Zeit als Büroleiter der Paneuropa Union in Ungarn arbeitete. [1]

Otto von Habsburg und seine drei Kinder, Walburga, Karl und Georg, besuchten die Mindszentys Wiederbestattung am 3. Mai um Mittag, in der Grenzstad Nickelsdorf. An der Trauerfeier nahmen unter anderem Kardinal und Erzbischof von Wien, Hans Groer, Kardinal, Primas und Erzbischof von Esztergom, László Paskai, Bischof von Eisenstadt, László István, Staatssekretär des Ungarischen Ministerpräsident Büros, Miklós Pálos, ungarischer Botschafter in Wien, Dénes Hunkár, und ungarischer Botschafter im Vatikan, Sándor Keresztes d. Ä. teil. Die Begrüßungsreden wurden von dem Landeshauptmann des Burgenlandes, Hans Sipötz, von dem ungarischen Außenminister, Géza Jeszenszky, und von dem österreichischen Außenminister, Alois Mock gehalten. [2] Otto von Habsburgs Auto fuhr auch im Konvoi, der Mindszentys Sarg über Hegyeshalom hinaus nach Esztergom begleitete. Das erste Auto des Wagenkonvois, das die Asche des Kardinals überführte, war das gleiche schwarze Merzedes, das am 1. April 1989 auf Königin Zitas Beerdigung benutzt wurde.

In Hegyeshalom versammelte sich eine große Menschenmenge, um den ehemaligen Fürstprimas zu ehren. Otto von Habsburg hörte sich hier die Reden von dem österreichischen Außenminister, von dem ungarischen Kultur- und Bildungsminister, Bertalan Andrásfalvy und von Sándor Lezsák nochmal an. [3]

Am Samstag, den 4. Mai um 10:30, auf der festlichen Trauerfeier in Esztergom ergriffen viele das Wort: Repräsentant des Heiligen Stuhls, Kardinal Opilio Rossi, Ministerpräsident József Antall, Bischof der Ungarn im Ausland, Attila Miklósházy, niederländischer Prämonstratenser und Gründer des Hilfswerks Kirche in Not (AED/ACN), Weren Fried van Straaten, und natürlich Abgeordneter im Europäischen Parlament und Präsident der Internationalen Paneuropa-Union, Otto von Habsburg.

Der ehemalige Thronfolger hielt die folgende Rede: [4]

 

A Szentlélek adományai között van egy

 

Nach der Trauerfeier nahm Otto von Habsburg an dem offiziellen Mittagessen in dem Prímás Pince in Esztergom teil, dann fuhr er nach Zamárdi. An den folgenden zwei Tagen hatte er weitere Treffen in Székesfehérvár und Budapest. Am 6. Mai verließ er Ungarn mit dem Flugzeug.

Bezüglich József Mindszentys Wiederbestattung wurde Otto von Habsburg von Béla Kurcz – Journalist von Magyar Nemzet aufgefordert, um einen Artikel über seine persönliche Beziehung zu dem Kardinal zu schreiben.  Der ehemalige Thronfolger nahm die Aufforderung an, und schickte ein langes Schreiben mit dem Titel „Heimkehr des Fürstprimas“ an die Zeitung. [5] Der Artikel erschien am 4. Mai 1991, mit dem Titel „Treu seiner Ideen bis zur letzten Minute seines Lebens“ (ungarischer Originaltitel: Élete utolsó percéig hű maradt eszméihez).

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Anlässlich der Wiederbestattung des ehemaligen Fürstprimas gab Otto dem Journalisten der Zeitung Népszabadság – Béla Kovács – ein kurzes Interview vor den Ereignissen am 3. Mai 1991 in Tata. Unter anderem äußerte er sich über seine Beziehung zu József Mindszenty. „Zuerst trafen wir in den Vereinigten Staaten, dann nur später, als er Ungarn schon verlassen hatte. Über sein Erbe kann ich nur sagen, dass er uns – den Ungarn – einen besonderen guten Dienst erwies. In einer Welt, in der Versöhnlertum und Feigheit herrschte, war er das Symbol des Muts. Er – und auch die Emigration, die im Westen lebt – spielte eine große Rolle dabei, dass die Beurteilung unserer Heimat sich verbesserte.“ [7]

Nach ihrem ersten Treffen im Jahre 1947 – mithilfe von Vermittlern – blieben sie in Kontakt bis zur Mindszentys Festnahme, und auch im Jahre 1956, an den Tagen der Freiheit, dann ab 1971, als der ungarische Erzpriester das Gebäude der US-Botschaft in Budapest nach fast fünfzehn Jahren verlassen durfte. In seiner Zeugenaussage vom 5. Februar 1990 wies Otto von Habsburg alle Klagen vor dem Obersten Gericht ab, die von den ungarischen Kommunisten im Jahre 1949 gegen den Kardinal erhoben wurden. [8]

In dem Schauprozess gegen den Fürstprimas im Jahre 1949 war einer der wichtigsten Klagepunkte, dass sie im Sommer 1947, im Rahnem der Marienfeste in Ottawa miteinander kommunizierten, und eine Verschwörung gegen „die Staatsordnung der demokratischen Volksrepublik“ planten. Otto hatte vor dem legitimistischen Kardinal, der zwanzig Jahre älter war, großen Respekt, aber kannte seine Grenzen auch. Der Sohn vor Karl IV. betonte mehrmals, dass Mindszenty nicht in der Lage war, Ungarns Situation im Rahmen größerer weltpolitischer Zusammenhänge zu sehen. [9]

Für den ehemaligen Thronfolger, der an der Wiederbestattung vor dreißig Jahren teilnahm, bedeutete József Mindszentyvor allem ein Mann, der von Gott gesandt wurde […] der beharrlich kämpfte, auch wenn er von den feindlichen Kräften angegriffen wurde. Er wusste, dass der Glaube die weltliche Gewalt besiegt, da das Jenseits zum Gott gehört. Laut seiner Erklärung war „József Mindszenty nicht nur zu Jesus treu, sondern auch zu Ungarn.“ [10]

 

Gergely Fejérdy

 

Fotos: Otto-von-Habsburg-Stiftung, Ott-von-Habsburg-Sammlung, Fotosammlung

[1] Otto-von-Habsburg-Stiftung, Ott-von-Habsburg-Sammlung, Otto von Habsburgs ungarnsprachige Korrespondenz, I-2-c-Reviczky Ádám. (Pöcking, 8. Februar 1991) (Die Aufarbeitung des Schriftgutes ist noch nicht beendet, deshalb kann keine der Verweise im Text noch nicht als endgültig betrachtet werden.) Im Ádám Reviczkys Nachlass, der von unserer Stiftung bewahrt wird (HOAL, Die Sammlung der Otto-von-Habsburg-Stiftung, Nachlässe persönlicher Sammlungen, Reviczky Ádám und Revizcky Katalin HOAL II-1-a) gibt es auch einige Briefwechsel im Zusammenhang mit der Reise, und József Mindszentys Wiederbestattung wurde auch auf VHS aufgenommen. Davon können Sie sich ein kurzes Video ansehen.

[2] Ungarisches Telegramm-Büro, Nachrichtenarchiv 1988-, Mindszenty – búcsúztató ünnepség Nickelsdorfban (1-2 rész), Wien, 3. Mai 1991

[3] ebd.: Magyar földre érkeztek Mindszenty hamvai) (1. rész), Wien, 3. Mai 1991

[4] Otto-von-Habsburg-Stiftung, Otto von Habsburgs offizielles und politisches Schriftgut, József Mindszentys Wiederbestattung 1990-1992, (HOAL-I-3-e-Rede in Esztergom). Die Rede, die am 4. Mai 1991 in Esztergom gehalten wurde, ist in unserem Archiv sowohl auf Ungarisch als auch auf Deutsch vorhanden.

[5] HOAL I-2-c-Béla Kurcz, (Pöcking, 8. März 1991)

[6] Habsburg Ottó: Élete utolsó percéig hű maradt eszméihez; Magyar Nemzet, 4. Mai 1991, 8.

[7] Kovács Béla: Habsburg Ottó nyilatkozata; Népszabadság, 3. Mai 1991, 3.

[8] https://mnl.gov.hu/mnl/ol/hirek/az_egyhaz_elleni_intezkedesek_es_mindszenty_jozsef

[9] Péter Bokor und Gábor Hanák – Interview mit Dr. Otto von Habsburg in Frauenberg, 4. April 1998 Magyar Mozgóképkincs Megismertetésért Alapítvány (MMMA) 0451_19_HO_980404. Genaue Zeitangabe der Aufzeichnung: 00:07:30

[10] HOAL-I-3-e-Otto von Habsburgs Rede am 29. März 1992 in Csehmindszent, zum 100. Geburtstagsjubiläum des Kardinals