Der Interessent war der Kunsthistoriker der Ungarischen Nationalgalerie, György Szűcs[1]. Er forschte das Leben des Malers und Graphikers, Jenő Haranghy[2]. In seinem Brief[3] vom 25. November 1989 wendete er sich an Otto von Habsburg, um weitere Informationen für seine Forschung zu sammeln. Dank der Witwe des Künstlers enthält er die Zeitungsbeilage, in der einige Seiten des Briefmarkenalbums des Thronfolgers erschienen. Szűcs war neugierig, ob das Album noch existierte, und wenn ja, wollte er die Seiten fotokopieren, um das Album in seiner Abhandlung über Haranghys Leben vorzustellen. Außerdem fügte György Szűcs noch eine Fotokopie über Haranghys Zeichnung über die Krönung von Karl IV. im Jahre 1916, und erkundigte sich danach, wo sich die originelle Zeichnung befindet.
Zeichnung über die Krönung von Jenő Haranghy
(Quelle: Otto-von-Habsburg-Stiftung)
Die ersten zwei Anhänge von Szűcss Brief enthalten den Bericht [5] vom Schreiber János Örvös [4], der am 7. November 1926 in der Tageszeitung Újság erschien. Am 4. November 1926 berichtete die Zeitung Az Est auch über die internationale Briefmarkenausstellung in New-York [6]. Anhand der erwähnten Schreiben erfahren mehr wir von Otto von Habsburgs Briefmarkensammlung. Diese zwei Berichte können noch mit zwei späteren Beiträgen ergänzt werden, die am 31. Juli 1927 und am 8. August 1927 in der Tageszeitung Újság erschienen.
Die obengenannte Ausstellung eröffnete am 16. Oktober 1926 und erwartete die Interessenten – inklusive zahlreicher illustren Gäste – für acht Tage. Selbst der Präsident der Vereinigten Staaten, John Calvin Coolidge [7] hielt eine Rede an der Eröffnung, und blätterte „König“ Ottos Sammlung anerkennend durch, die er anscheinend in großer Ehre hielt. Die Ungarn, die in der Neuen Welt lebten, begeisterten sich für den jungen Otto von Habsburg und für seine Briefmarkensammlung, die aus der spanischen Stadt Lequeitio kam.
Die riesengroßen Räume im Grand Central Palace waren mit Briefmarkenspezialitäten aus der ganzen Welt erfüllt. Außer den wertvollen Kuriositäten gab es noch eine unerwartete Sensation. Neben den anscheinend nichtssagenden, künstlerisch absolut anspruchslos dargestellten Kuriositäten wurde nämlich ein einzigartiges Album ausgestellt, dessen großartiger Ledereinband und künstlerisch gemalte Blätter die Besucher verwunderten. Auf dem Einband des silber- und goldfarbigen Albums glänzte das ungarische Wappen, so dass sein Rahmen einen großen „O“ formte. Das ganze Blatt wurde von einer Kreuzform dominiert.
Illustration aus der Zeitung Újság
(Quelle: Arcanum Digitális Tudománytár)
In dem Album reihen sich Ungarns Briefmarken, in künstlerisch gezeichneten, abwechslungsreichen Rahmen. Über der Überschrift gibt es ein Foto von Otto, darunter den Einband von Ottos Album, gefestigt in einem harten Karton. Laut des Journalisten war es ein wunderschönes Lederwerk, leider verblieb aber kein Farbfoto davon, deshalb können wir die Farben nur anhand der Beschreibung rekonstruieren. Die Ecken waren silbern und reich verziert, mit kleinen Steinen geschmückt. In der Mitte stand das ungarische Wappen, die vier Flüsse und das Doppelkreuz waren silbern, der Hintergrund opalfarbig. Der Einband war ein kunstgewerbliches Meisterwerk ohne Zweifel. Das erste Blatt des Albums wurde von den anderen getrennt ausgestellt, in einem geschmückten Rahmen. Darauf oben stehen das ungarische Wappen und die folgende Überschrift:
Briefmarken von Großungarn zwischen 1871 und 1918
Ein Journalist von der Zeitung Az Est berichtete über das Ereignis: „Ich besuchte die Briefmarkenausstellung, wollte mir Ottos Sammlung ansehen. Da alle die Sammlung kannten, fand ich sie zwischen den großen glasbedeckten Brettern – die wie richtige Straßen aussahen – ziemlich schnell. Die Sammlung war selbst wegen seines Besitzers eine Kuriosität, aber auch weil sie das artistischste Ausstellobjekt war. Ein extra Brett machte darauf aufmerksam: „Ungarns Briefmarken wurden vom König Otto II., der älteste Sohn seiner Majestät Károly und ihrer Majestät Zita, des Kaisers und Königs und der Kaiserin und Königin der Österreichisch-Ungarische Monarchie.“ [9]
Illustration aus der Zeitung Az est
(Quelle: Arcanum Digitális Tudománytár)
Das Ausstellungsmaterial war so anspruchsvoll, dass ein begeisterter Journalist der Zeitung Újság so berichtete: „Selbst ein Prinz könnte kein Schöneres haben!“ Und setzte so fort: „und diese internationale Briefmarkenausstellung war gerade deswegen so sensationell, weil der Aussteller dieser königlichen Sammlung ein richtiger ‘König‘ ist, der auf dem Foto [10] über das Album so unschuldig guckt, dass alle Besucher verwundert sind.“
Aus dem Bericht stellt es sich heraus, dass die Journalisten berühmter Zeitungen aus ausländischen Großstädten die kleinen grauen Briefmarken einfach ignoriert haben, und ihre großen Beiträge schrieben sie über das Album des exilierten Königs. Dem Präsidenten Coolidge wurde die Sammlung von dem Präsidenten der Ausstellung, Charles Lathrop Pack [11] selbst gezeigt. Der mehrfache Dollarmillionär und leidenschaftliche Philatelist – wer auch der Präsident des größten amerikanischen Briefmarkensammlervereins (Collectors Club) war [12] – informierte den Präsidenten über die Umstände der Ausstellung der Kollektion von „König“ Otto. Die Verzierung des Einbandes und der Blätter wurden von Lehrern aus der Budapester Kunstgewerbeschule gemacht, und wurde als ein richtiges kunstgewerbliches Meisterwerk bezeichnet. Laut des Berichts sprach der Präsident über die künstlerischen Albumblätter von unserem ausgezeichneten Graphiker Jenő Haranghy auch erkennend. [13] Zwei Krönungsbriefmarken hatten deren eigene Seite: die Szene des Säbelhiebs auf dem Krönungshügel.
Jenő Haranghy
(Quelle: MaNDA, MKVM)
Das gesamte Album war im Rahmen der Ausstellung nicht vorgestellt, nur einige Blätter davon. Diese stellten die ungarische Briefmarke chronologisch dar, mit ähnlichen Farben und minuziösen Ausarbeitung zu den Illustrationen in den mittelalterlichen Kodexen. Laut des Berichts standen immer viele an der Sammlung an, obwohl deren Wert viel geringer war als einiger ausgestellten Briefmarkenkuriositäten.
Interessant ist noch, dass – laut des Journalisten der Zeitung Az est – die ganze Welt repräsentiert wurde; einige Staaten, wie zum Beispiel Österreich, Deutschland, Schweden und Kanada stellten auch offizielle Materialen vor. Nur Ungarn und die ungarischen Sammler waren nicht präsent. Ein Grund dafür war die Weltwirtschaftskrise, ein anderer, dass die Sammlung zu transportieren wäre für einen Kriegsverlierer sehr schwierig gewesen. Dies erklärt, warum Otto von Habsburg der einzige ungarische Austeller war.
Illustre ungarische Briefmarkensammler – die eigentlich die Berater des jungen Königs waren – baten Königin Zita darum, dass die Sammlung ausgestellt wird. Sie dachten, dass die Sammlung das Interesse der ausländischen öffentlichen Meinung für die Ungarn erwecken konnte. Die Königin akzeptierte diesen Standpunkt. Laut des Berichts nahm Otto selbst die Sammlung, blätterte sie noch einmal durch und gab sie einem seiner Verehrer, der sie persönlich nach New York brachte. Wer war dieser Verehrer? Aus dem Bericht von János Örvös vom 31. Juli 1927 in der Zeitung Újság stellt sich heraus, dass die Ausstellung der Sammlung in New York wurde von Eugene Klein [14] organisiert, und wahrscheinlich brachte er sie nach Übersee. [15] Bis der Eröffnung blieb Klein in New York, dann kehrte er nach Spanien zurück und besuchte auf seinem Weg die königliche Familie. Dort erzählte er Otto von Habsburg seine Erfahrungen, wer sich die anerkennenden Worte des Ausstellung-Expertes über den Empfang der Sammlung erfreut hörte.
Otto von Habsburg im Jahre 1926
(Quelle: Bildarchiv Austria)
König Ottos junge Bruder, Herzog Felix von Habsburg hörte auch die amerikanischen Nachrichten und fühlte sich traurig, dass seine – jedoch weniger verzierte – Sammlung in New York nicht vorgestellt war. Kurz darauf wurde er aber getröstet, da Otto von Habsburg ihm eine ganze Reihe von den wunderschönen Erinnerungsbriefmarken aus der Ausstellung schenkte.
Jenő Haranghy machte künstlerische Alben zuerst nur für die bis 1918 zugelassenen ungarischen Briefmarken, deshalb war die Sammlung des jungen Prinzen nur bis dahin vollständig. „Er guckte die wunderschönen Seiten und interessante Briefmarken sehr gerne an, aber mit einem war er immer unzufrieden: nämlich damit, dass seine Sammlung im Jahre 1918 endete. Einmal sagte er aber: Ich möchte auch diejenige Briefmarke sammeln, auf die die bösen Menschen die Bilder von Meinem Vater und von meiner Mutter das Wort Republik stempelten, und auch die anderen Briefmarken, die seitdem in Ungarn erschienen. [17]
Briefmarken mit Portrait über Karl IV.
(Quelle: OSZK Digitales Bildarchiv)
Otto bekam die nötige Ersatzblätter, den zweiten Teil gekennzeichnet mit der Dornenkrone und dem Posthorn: die republikanische Seite mit der phrygischen Mütze, die bolschewistische Seite mit den Dornen aus denen Blut fließt und die mit literarischen Motiven dekorierten Petőfi- und Jókai-Briefmarken. So wurde die Briefmarkensammlung zum Spiegel der ungarischen Geschichte.
Der obengenannte Bericht enthält wichtige Informationen über die Sammlung. Erzsébet Gelsey schrieb zu György Szűcs in ihrer Antwort, dass Otto von Habsburg sich gut an das „erstaunliche Briefmarkenalbum erinnert. Leider wurde es mit anderen Wertsachen gestohlen, als im Jahre 1948 in sein Haus im Tuxedo Park eingebrochen wurde, in dem Königin Zita damals in den USA wohnte.“ [19] Das Album verschwand für immer.
Trotz des Verlusts sammelte Otto von Habsburg die Briefmarken weiterhin. Dies zeigt sich in der Briefmarkensammlung, die sich in seinem Nachlass befindet und von der Otto-von-Habsburg-Stiftung behandelt wird. Die Briefmarken wurden in größeren Umschlägen aufgeklebt, meistens nach Ländern oder Regionen sortiert, aber oft gemischt, von den Umschlägen gerissen und völlig vermischt. Nach Aufdeckung der vier großen Schachtel wurden die Briefmarken einigermaßen vororganisiert und nach Ländern sortiert, dann in 18 säurefreien archivalischen Schachteln hineingelegt. Diese Briefmarken ergänzten wahrscheinlich eine größere Sammlung, und fassen die Periode zwischen 1945 und 2010 um.
Aus den 18 Schachteln enthalten 15 europäische Briefmarken: es gibt 2-2 Schachtel aus Österreich, Deutschland, Frankreich und Belgien; 1-1 aus Groß-Britannien und Italien; eine Schachtel enthält ungarische und polnische Briefmarken gemischt, und eine weitere die tschechoslowakischen, tschechischen und slowakischen zusammen. Es gibt eine Schachtel mit den Briefmarken aus der Sowjetunion und aus ihren Nachfolgestaaten, und noch eine mit den Briefmarken aus dem Jugoslawien und seine Nachfolgestaaten (Bulgarien, Griechenland, Türkei und Zypern). In einer Schachtel finden wir die spanischen, portugiesischen, schweizerischen, luxemburgischen, andorranischen, san-marinesischen, monegassischen Kollektionen, in einer anderen die niederländischen, norwegischen, schwedischen, dänischen, finnischen und irischen. Aus dem amerikanischen Kontinent gibt es nur 2 Schachtel. In einem getrennten Fach sind die Briefmarken und Umschläge aus Asien, Afrika und Australien. Obwohl die Sammlung noch ein paar postfrische österreichische Briefmarken auch enthält, meistens wurden sie leider nass und klebten deshalb zusammen. Es gibt noch Briefmarken auf Ersttagbriefen, zum Beispiel eine mit einer sowjetischen Fahne.
Otto-von-Habsburg-Stiftung, Organisierung der Briefmarkensammlung
(Foto: Otto-von-Habsburg-Stiftung)
Im Archiv des Nachlasses gibt es mehrere offizielle ungarische Briefwechsel des Sekretariats, deren Briefe über Schenkungen erzählen. Die meisten Geschenke sind Bücher, Getränke, ethnische Stickereien, aber auch alte Fotos, Postkarten und Briefmarken. Rudolfné Horti aus Budapest – wer nur 14 Jahre alt war als Karl IV. gekrönt wurde – schickte ihre alten Erinnerungsstücke an Otto. In dem Brief – mit einigen politisch kritischen Bemerkungen über den Reichverweser – schrieb sie Folgendes: „Ich füge diese Fotos und Briefmarken bei, den Beutel unserer Apotheke schicke ich Ihnen nur wegen des Namens von Josef Franz, unsere Freunde nannten ihn nur königstreuer horti.“ [20] Otto von Habsburg bedankte sich freundlich für die Geschenke, und endete seinen Brief so:
„Ich freue mich über alles, was ich aus Ungarn bekomme.“
Ein diplomierter Elektroingenieur, Péter Takács schickte einige Briefmarken an Otto aus seiner eigenen Sammlung, als er Budapest besuchte. Leider erwähnt der kurze, handgeschriebene Brief weder die Stückzahl der Briefmarken noch andere Informationen über sie. Aus dem Antwortbrief stellt sich heraus, dass Otto wahrscheinlich zwei Postkarten erhielt, auf deren Bilder seine Eltern zu sehen waren. Antalné Fritsch [22] schickte als Geschenk ebenfalls Briefmarken mit Bildern über Karl IV. und Königin Zita.
Die obengenannten Beispiele zeigen, dass Otto von Habsburg die Briefmarken sein ganzes langes Leben lang sammelte, und auch jedes Erinnerungsstück über seine Eltern. Aus den Fotos stellte er Fotosammlungen zusammen, die sich zu reichen Kollektionen entwickelten. Diese stellen nicht nur seine Familie, sondern auch den ersten Weltkrieg vor. Die Fotosammlung und die Briefmarkensammlung ergänzen einander, da das Letztere sehr viele alte Postkarten enthält, von denen viele frankiert wurden. Leider enthält die zurzeit bekannte Briefmarkensammlung weder komplette Alben noch Briefmarken vor 1940; diese sind entweder anderswo versteckt, oder wurden gestohlen, wie das Album von Haranghy. Die Sammlung der Otto-von-Habsburg-Stiftung enthält aber sehr viele solche frankierten Umschläge, die von wesentlichen Persönlichkeiten an Otto geschickt wurden, und auch viele wertvolle Briefmarken. Deshalb erweckt die Sammlung größere philatelistische Interessen.
Dr. József Fekete PhD
[1] György Szücs (Budapest, 1960-) Kunsthistoriker.
[2] Jenő Haranghy: (1894–1951) Graphiker, Maler, Hochschullehrer
[3] HU HOAL–I.–3.a.–1989 György Szűcs
[4] János Örvös (1898–1972) Journalist, Philatelist. Ab 1933 der erste Präsident des Vereins für Briefmarkensammler in der Hauptstadt und auf dem Land
[5] János Örvös: Die Sammlung des Königs Otto II. war der Glanzpunk der internationalen Briefmarkenausstellung in New York. Ujság, 7. 7. November 1926
[6] Herzog Ottos Sammlung war die artistischste an der Briefmarkenausstellung in New York. Az Est, 4. 5. November 1926
[7] Der jüngere John Calvin Coolidge (1872–1933) 30. Präsident der Vereinigten Staaten.
[8] Ujság, S. 7. 7. November 1926
[9] 4. S. 5. November 1926
[10] Ujság, 7. 7. November 1926 (Bild auch hier)
[11] Charles Lathrop Pack (1857–1937) Geschäftsmann, Briefmarkensammler
[12] Ujság, S. 8. 4. August 1927
[13] Ujság. S. 7. 7. November 1926
[14] Eugene Klein (1878–1944) Briefmarkensammler mit ungarischen Wurzeln. Präsident des Amerikanischen Briefsammler Vereins zwischen 1935 und 1937
[15] Ein berühmter amerikanischer Briefmarkenhändler in Budapest. Ujság, S. 36. 31. Juli 1927
[16] Felix Friedrich Habsburg-Lothringen (1916–2011) Marketingunternehmer, Sohn von Karl IV., Bruder von Otto von Habsburg. Geschäftsmann unter den Namen Felix de Bar
[17] Ujság, S. 7. 7. November 1926
[18] Bundesstaat New York, Vereinigte Staaten
[19] HU HOAL–I.–3.a.–1989 György Szűcs
[20] HU HOAL–I.– 1.c. 1989 Rudolfné Horti
[21] HU HOAL–I.– 1.c. 1989 Péter Takács
[22] HU HOAL–I.– 1.c. 1989 Antalné Fritsch