Die Konferenz mit dem Titel Foto und Forschung (Imatge i Recera) wird seit 1990 jedes zweite Jahr veranstaltet, nach der Covid-Pandemie war es dieses Jahr wieder möglich. Der Hauptorganisator war das Centre de Recerca i Difusió de la Imatge (CRDI), ein Zentrum für die Aufarbeitung und Forschung archivischer Audio- und Fotodokumente, die im Rahmen des Stadtrates Girona arbeitet. Das offizielle Sammlungsgebiet des Zentrums umfasst sowohl die Archivmaterialen der Verwaltung als auch die in der Gemeinde lebenden Privatpersonen, Familien- und Firmensammlungen. Das Archiv in der kleinen katalanischen Stadt ist aber nicht nur lokal bedeutend, sondern auch länderübergreifend: die nach dem in Girona geborenen Fotografen, Plakatkünstler und Filmmacher Antoni Varés (1909-1966) benannte internationale Konferenz wurde schon zum 17. Mal veranstaltet. Im Rahmen der Veranstaltung diskutieren die Experten, die sich mit fotografischen und audiovisuellen Erben beschäftigen, über die praktischen, technischen und ethischen Fragen dieses speziellen Bereiches, und stellten die Neuigkeiten dar. Eindeutige Zielsetzung der Konferenz ist die Internationalität, deshalb halten jedes Jahr Referenten aus verschiedenen Nationen Vorträge – diese Anstrengungen der Konferenz werden von dem Internationalen Archivrat (International Council of Archives – ICA) und von verschiedenen anderen kooperierenden Organisationen unterstützt. Unsere Stiftung wurde von dem Hauptmitarbeiter der Sammlung, der für die foto- und audiovisuelle Sammlung verantwortliche Mitarbeiter Szilveszter Dékány repräsentiert.
Im Bereich der Aufarbeitungsmethoden der Fotosammlungen gab es kaum solche bedeutende technologische Entwicklung in den letzten Jahrzehnten, wie das Zustandekommen und die mögliche Anwendung der künstlichen Intelligenz (KI, oder Artificial Intelligence – AI). Die Technologie, die für die Aufarbeitung von großer Menge von Bildinformationen geeignet ist, kann die Organisationsarbeit nicht nur beschleunigen, sondern macht die Verfügbarkeit der visuellen Sammlungen aus Sicht der Verbraucher einfacher. „AI is coming!” – könnte man jetzt das Motto der beliebten, und auch gerade in Girona gedrehten Serie Game of Thrones paraphrasieren, aber die KI ist schon hier: man muss nur die Dienstleistung Google Lens, oder die Gesichtserkennung der ungarischen ADT erwähnen. Kein Zufall also, dass mehrere Themen der Konferenz gerade um dieses Thema gingen.
Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz hergestellten Video aus Archivfotos
Ist schon vielleicht auch Ihre Sammlung bereit für die künstliche Intelligenz? – stellte die Frage Yalemislew Abgaz (Dublin City University) in seinem Eröffnungsvortrag. Der Referent stellte mit Hilfe von zwei Versuchsprojekten dar, wie weit entwickelt die heutige Form der KI-Bildaufarbeitung spezialisiert auf einzelne Themen ist. Statt der klassischen, physischen Beschreibung der Sammlungen (physical description) verbreitete sich mit der Anwendung der künstlichen Intelligenz die inhaltliche Beschreibung (content description) immer mehr. Man darf aber solche kulturellen Aspekte auch nicht vergessen, die der Mensch, der für die Sammlung verantwortliche Experte beigeben kann – dadurch kann er den Aufarbeitungsprozess kontrollieren. Gustavo Lozano, der Fotoarchivar des Instituts für Ästhetik der Nationalen Universität Mexico betonte auch, dass die künstliche Intelligenz ein Mittel ist, mit dem man die Verfügbarkeit des kulturellen Erbes verbessern kann, man muss aber die menschlichen Aspekte und die komplexe Einstellung zu der Aufarbeitung der visuellen Inhalte auch in Betracht ziehen. Die künstlerische Anwendung der künstlichen Intelligenz wurde von Daniel Pitarch dargestellt, Mitglied der Kunstgruppe Estampa. Die Gruppe schafft visuelle Installationen auf Basis von der Fotosammlung des CRDI-s. Pitarch präsentierte auch die Einschränkungen der KI als interessante Aspekte: das System konnte die menschliche Zähne auf den generierten Bildern nur schwierig herstellen, da in der aufgearbeiteten Sammlung nur Portraits aus Ende des 19. Jahrhunderts und aus Anfang des 20. Jahrhunderts waren, und auf diesen Bildern hatten die Menschen ziemlich düstere Gesichtsausdrücke, so gab es keine lächelnde Gesichte, mithilfe denen die KI diese Information hätte einsammeln können.
Obwohl die Experten sich darüber einig waren, dass die Digitalisierung unerlässlich für die Aufarbeitung des visuellen kulturellen Erbes ist, die einzelnen Länder und Institutionen verwenden verschiedene Strategien, um diesen Prozess zu verwirklichen. Die belgische Methode wurde von Brecht Declercq (Flämisches Archivinstitut – Meemoo) präsentiert, der die maßgebende Strategie mit dem Ausruf „Digitize now!” Anfang seines Vortrages kurz zusammenfasste. Das Meemoo funktioniert als ein Vermittlungsorganisation zwischen den Inhaltsanbietern (content partners) und den Dienstleistern (service providers): es sammelt und synthetisiert die zu digitalisierenden Materialen, und organisiert den Digitalisierungsprozess. Nach fast zehnjahrelanger Lobbytätigkeit entschied sich die Staat Belgien, dieses Institut ins Leben zu rufen und zu finanzieren. Die Wirksamkeit des Instituts zeigt sich daran, dass es bis 2022 80% der belgischen foto- und audiovisuellen Sammlung digitalisieren konnte. Die digitalisierten Materialen erhalten dann die Senderorganisationen, die deren Beschreibung und Quelle auf ihrer Homepage – aus uhrheberechtlichen Gründen – veröffentlichen.
Das Archiv des Internationalen Roten Kreuzes mit Sitz in Genf stellte die Interessantheiten seiner besonders reichen Fotosammlung mit Hilfe von Damián González Dominguez dar. Da die Familie Habsburg eine besonders enge Beziehung zu den Institutionen des Roten Kreuzes hatte, war dieser Vortrag für unsere Stiftung besonders interessant.
Die Präsentationen der Konferenz hingen mit der Aufarbeitung und Behandlung von Otto von Habsburgs Erbe in mehreren anderen Bereichen zusammen, da seine internationale Karriere zahlreiche Sammlungen betrifft, und da die im Rahmen der Konferenz vorgestellten neuen technologischen Möglichkeiten sehr hilfreich für die Aufarbeitung des großen Netzwerkes unseres Namensgebers sind.
Neben dem theoretischen Hintergrund bot die Konferenz praktische Hinweise auch an, da die Teilnehmer an Workshops teilnehmen konnten, zum Beispiel im Thema der Gefahr der Naturkatastrophen für Archive. Solches Thema war zum Beispiel die Vorbereitung für die Bedrohungen des Klimawandels, der Fluten, der Regenfälle, der Brandfälle – erinnern wir uns nun an die Tragödie des Historisches Archivs der Stadt Köln im Jahre 2009, oder an den Brandfall der Ráday Sammlung in Ungarn.
Die Interessenten für visuellen Sammlungen hatten auch die Möglichkeit, einen weiteren besonderen Ort in Girona zu besuchen: das Filmmuseum (Museu del Cinema) bietet mit seiner Dauerausstellung, mit seinen Programmen und mit seinen erforschbaren Sammlungen einen umfassenden und spannenden Einblick in die Welt der Foto-, Film- und Kinohistorie an.
Szilveszter Dékány