Dank der Einladungen zu verschiedenen Veranstaltungen besuchte er aber noch mehrere Orte in Ungarn. Wegen den historischen Zusammenhängen wäre er gerne auch den nördlichen Zipfel des Komitats Fejér, Mány besucht, aber die Einladung bekam er zu spät. [1]
In offizieller Urkunde wurde Mány erstmals im Jahre 1321 erwähnt, nach der türkischen Herrschaft entvölkerte sich die Siedlung, und nur in den 1560er bevölkerte sie sich wieder. [2] In der Mitte des 18. Jahrhunderts, infolge der Maßnahmen von Maria Theresia siedelten sich Deutschen hier an, deshalb wurde das Dorf multinational. Obwohl 241 Deutscher aus Mány ausgesiedelt wurden, die verbliebenen Einwohner, die schwäbischen Wurzeln haben, pflegen bis zum heutigen Tag deren Traditionen. [3]
Der Volkstrauertag ist seit 1919 der Gedenktag für die gefallenen Helden und Opfer des großen Krieges, der seit 1952 immer zwei Wochen vor dem ersten Adventssonntag veranstaltet wird. Seit diesem Jahr bezieht sich der Gedenktag schon auf die Opfer des zweiten Weltkrieges. Infolge der ethnischen Zusammensetzung des Dorfes gab es natürlich sowohl im ersten als auch im zweiten Weltkrieg nicht nur ungarische, sondern auch deutsche Opfer. Deshalb wurde eine Gedenkfeier von den Lokalorganisationen des Ungarischen Demokratischen Forums und der Unabhängigen Partei der Kleinlandwirte, der Landarbeiter und des Bürgertums am 18. November 1990 in Mány veranstaltet. Das Ereignis wurde in der Mitte des Dorfes, bei dem Denkmal der Helden [4] mit zirka 500 Interessenten stattgefunden. Nach den ungarischen und deutschen Nationalhymnen begrüßte der Präsident des Ungarischen Demokratischen Forums aus Mány, Zoltán Szabó (1920-2002) die Anwesenden, dann lies er die Reden von denjenigen Gästen vor – unter anderem von Ministerpräsident József Antall –, die an der Veranstaltung persönlich nicht teilnehmen konnten. In seiner Rede sagte General Kálmán Kéri, dass „die Gedenkfeier für die im gemeinsamen Kampf gefallenen ungarischen und deutschen Soldaten ist eine noble Geste“ [5] und betonte, dass „das Leben und der Tod aller in Ungarn gefallenen Soldaten – egal an welcher Seite sie standen – bedeuten das Pfand, dass es seitdem in Europa keinen verheerenden Krieg gab und es wird hoffentlich auch keinen geben.“ [6] Nach den Reden legten das Verteidigungsministerium, die ungarische Botschaft in Deutschland, [7] die Mitglieder der Organisation für die in der Nähe von Mány kämpfenden Soldaten in Salzburg, und lokale kirchliche und zivilgesellschaftliche Organisationen ihre Kränze bei dem Denkmal nieder.
Wegen der zu spät bekommenen Einladung konnte Otto von Habsburg an der Gedenkfeier nicht teilnehmen, in seinem Antwortbrief bat er aber die Organisatoren „die Landesmänner zu begrüßen und ihnen mitzuteilen, wie froh sehr ich mich darüber freue, dass sie im Rahmen unserer Traditionen der gefallenen Soldaten gedenken“. [8] Für Otto von Habsburg, der in Pöcking (Deutschland) lebte und über die Bedeutung des Volkstrauertages im Klaren war, konnte es eindeutig sein, dass unsere „Traditionen“ in dem multikulturellen Dorf nebeneinander leben. In seinem Brief aus dem 29. Dezember 1990 erwähnte Zoltán Szabó, dass er selbst überrascht war, „wie vielen es leidtat, dass Sie nicht dabei sein konnten und wie viele Menschen Sie sehen und hören, vielleicht auch berühren wollten, und wie viele Menschen in diesem Land Sie mögen“.[9] Der ehemalige Thronfolger bedankte sich für den Bericht des Organisators, und auch für die Bildaufnahmen über die Veranstaltung [10], die er später bekam und die Sie hier auch betrachten können.
Gedenkfeier in Mány, bei dem Denkmal der Helden (18. November 1990)
Damals schien die Veranstaltung eine neue Tradition in dem Dorf zu sein, die auch von dem Verteidigungsminister Lajos Für [11] und von dem deutschen Legationsrat Josef Aufricht unterstützt wurde. Die Initiative wurde aber nicht fortgesetzt. Im Dorf findet nur die Gedenkfeier für die Ungarischen Helden statt, die zuerst im Jahre 1917 durch Gesetzt verfügt wurde. An diesem Tag wird derjenigen gedenkt, „die sich für Ungarn verbluteten, ihr Leben riskierten oder opferten“. [12]
Die Einführung des Volkstrauertags in Mány war nicht erfolgreich, Otto von Habsburg besuchte die Siedlung niemals; bei der Volkszählung im Jahre 2011 wurden nur 321 solche Einwohner registriert, die sich selbst als Deutsche eintrugen. [13] Seit 2001 symbolisiert aber die Gedenkfeier im Mai die Schicksalsgemeinschaft: Opfer für das Vaterland zu bringen – unabhängig von der Nationalangehörigkeit.
Anett Nacsa
[1] Otto von Habsburg Stiftung. Otto von Habsburg Sammlung, Korrespondenz, Korrespondenz des Ungarischen Sekreteriats, HOAL I–1–c–1990–Zoltán Szabó (22. Oktober 1990)
[2] Gábor Farkas: Mány. Historisches Jahrbuch von Komitat Fejér, 21., Redakteur: Gábor Farkas, Székesfehérvár, 1990 127.
[3] Anett Nacsa: Die Gemeinden Mány, Etyek, Gánt, Szár, Újbarok, Vértesacsa, Vértesboglár, Zsámbék während der Aussiedlung der Deutschen im Jahre 1946. Diplomarbeit. Katholische Péter-Pázmány, Piliscsaba, 2016, 36.
[4] In Ungarn schrieb die Gemeinde Mány zuerst (Juli, 1989) neben den Namen der gefallenen Helden des ersten Weltkriegs auch die Namen der Gefallenen des zweiten Weltkriegs auf. Die Namen wurden auf das Denkmal auf Ungarisch, Deutsch und Russisch eingraviert.
[5] Zoltán Szabó: Tag der gefallenen deutschen Helden in Mány. Neue Zeitung, 15. Dezember 1990, 8.
[6] Gedenkfeier im Gedenkgarten in Mány. Es wird um ungarische, deutsche und sowjetische Soldaten getrauert. Zeitung von Komitat Fejér, 19. November 1990, 1.
[7] Die Botschaft von Westdeutschland, später von Deutschland legte dort jedes Jahr ein Kranz nieder, wo es im östlichen Teil Europas auf einzigartige Weise ein Denkmal für die gefallenen deutschen Soldaten aufgestellt wurde. http://www.many.hu/index.php?oldal=586&menu=168 (Heruntergeladen: 12. 11. 2020)
[8] HOAL I–1–c–1990– Zoltán Szabó (14. November 1990)
[9] HOAL I–1–c–1991– Zoltán Szabó (29. Dezember 1990)
[10] HOAL I–1–c–1991– Zoltán Szabó (12. Januar 1991) und Fotos: HOAL I-5-a 9-81
[11] Für Lajos Für war dieses das erste Denkmal, das er nach dessen Restauration (1988) noch als Oppositionspolitiker geweiht hat., Gedenkfeier im Gedenkgarten in Mány. Es wird um ungarische, deutsche und sowjetische Soldaten getrauert. Zeitung von Komitat Fejér, 19. November 1990, 1.
[12] Gesetz über das Festhalten der Erinnerung der ungarischen Helden und über die Gedenkfeier der ungarischen Helden Nr. LXIII von 2001. http://njt.hu/cgi_bin/njt_doc.cgi?docid=57078.245117 (Heruntergeladen: 12. 11. 2020)
[13] http://www.ksh.hu/docs/hun/xftp/idoszaki/nepsz2011/nepsz_03_07_2011.pdf
(Heruntergeladen: 13. 11. 2020)