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Otto von Habsburgs Besuch bei dem ungarischen Parlament am 2. Mai 1990

Vor dreißig Jahren, am 2. Mai 1990 fanden die ersten freien Parlamentswahlen nach der Wende statt. An der feierlichen Sitzung[1] nahmen die gewählten Abgeordneten, 24 Ehrengäste der Parteien, und weitere 180 Gäste und 700 Journalisten. Einer der Ehrengäste war Otto von Habsburg.

Otto von Habsburgs Besuch bei dem ungarischen Parlament am 2. Mai 1990

Vor dreißig Jahren, am 2. Mai 1990 fanden die ersten freien Parlamentswahlen nach der Wende statt. An der feierlichen Sitzung[1] nahmen die gewählten Abgeordneten, 24 Ehrengäste der Parteien, und weitere 180 Gäste und 700 Journalisten. Einer der Ehrengäste war Otto von Habsburg.

Otto von Habsburg, der Präsident des Komitees für Ungarn im Europäischen Parlament, wurde von Mátyás Szűrös, der vorläufige Staatsoberhaut der Republik Ungarn in seinem Brief vom 19. April 1990 eingeladen[2]. Otto von Habsburgs Antwort war positiv. Zwei Vizepräsidenten des Komitees für Ungarn im Europäischen Parlament wurden auch eingeladen: der sozialistische Abgeordnete aus Spanien, Pedro Bofill und der kommunistische Abgeordnete aus Italien, Renzo Trivelli.

Otto von Habsburgs Einladungsbrief von Mátyás Szűrös (Quelle: HOAL, Otto von Habsburg Sammlung)

Der ehemalige Thronfolger kam mit einem spanischen Abgeordneten am 1. Mai 1990 an. Am Flughafen wurde er von dem Alterspräsidenten des Parlaments und Abgeordneten des Ungarischen Demokratischen Forums, Kálmán Kéri, von dem Präsidenten der Christlich-Demokratischen Volkspartei, Dr. Sándor Keresztes, und von dem Fraktionsleiter der Unabhängigen Partei der Kleinlandwirte, der Landarbeiter und des Bürgertums, József Torgyán, und von Journalisten empfangen. [3]

Am 2. Mai, um 8. Uhr Morgen nahm Otto von Habsburg an dem ökumenischen Gottesdienst in der St.-Stephans-Basilika in Budapest teil, wo mehrere hundert Menschen für Ungarns Zukunft zusammen beteten, darunter viele frischgewählte Abgeordneten. [4]

Die konstituierende Sitzung des Parlaments begann um 10 Uhr. Nach der Hymne, Schauspieler Sándor Oszter sagte das Gedicht Zur Nationalversammlung von Sándor Petőfi auf. Der erste Sprecher, der vorlaufende Staatspräsident Mátyás Szűrös begrüßte Otto von Habsburg extra. Der erste Satz seiner Rede war Folgendes: Mit großer Hochachtung begrüße ich an der konstituierenden Sitzung den Präsidenten des Komitees für Ungarn im Europäischen Parlament, Otto von Habsburg und auch den Vizepräsidenten Pedro Bofill. [5] Der vierte Sprecher, der 89-jährige Alterspräsidenten des Parlaments, General Kálmán Kéri begrüßte den ehemaligen Thronfolger ebenfalls extra. Am Anfang seiner Rede erklärte er Folgendes: Ich bekam meine Uniform noch unter der Regierung Franzes I., dann trug ich sie weiter während der Regierung des ungarnfreundlichen, apostolischen Königs Karl IV., der ein wohlmeinende Mann war, aber doch einen tragischen Schicksaal hatte. Hier können wir ihren Sohn, Otto von Habsburg (Applaus), den großen Befürworter Ungarns begrüßen. [6]

Die konstituierende Sitzung des Parlaments, 2. Mai 1990 (Quelle: Foto von dem Ungarischen Telegramm-Büro)

 

Obwohl zahlreiche illustre Gäste an dem Ereignis teilnahmen, die damaligen ungarischen und internationalen Medien [7] berichteten ausschließlich von dem Thronfolger. Otto von Habsburg wurde auf dem Parlamentsflur dauernd von Journalisten umkränzt. Er gab ein Interview nach dem anderen für Zeitungen verschiedener politischen Richtungen. Für die Journalisten von Magyar Nemzet betonte er: „Ich bin überzeugt, dass das Parlament gut funktionieren wird, aber all seine Aufgaben werden sehr schwierig sein.“ Auf die Frage, ob er auch gerne Mitglied des neuen ungarischen Parlaments wäre, antwortete er Folgendes: [8]

„Ja. Aber ich fühle mich in dem Europäischen Parlament auch wohl, wo ich die Ungarn gerne an meiner Seite hätte.“

Auf die Frage des Parlamentsberichters von Népszava erklärte er, dass er seine Rolle in dem Europäischen Parlament als „ungarischer Brückenkopf“ betrachtet. [9]

Auf die Frage des Journalisten von Veszprémi Napló drückte er sein Optimismus aus: „Ich habe mich sehr gefreut, hier zu sein. Endlich gibt es ein demokratisches, freisinniges Parlament. Ein weiteres Positivum ist, dass ich hier einen bestimmten integrativen Geist entdeckte. Wir sind ja die einzige Staat hier im Mittelosteuropa, wo es keinen Bruch gab oder gibt. Damals in Spanien gab es auch keinen, unser jetziger Zustand erinnert mich daran. Der Vizepräsident meiner Delegation – ein spanischer Sozialdemokrat – ist auch hier. Er fühlte auch, dass in Ungarn das Gleiche und gleicherweise erreicht wurde, wie damals bei ihnen. Ein Übergang ohne Bruch. Also die Möglichkeit der Integrierung besteht, aber es gibt auch eine historische Integrierung. Die Tatsache, dass in der Kulturwelt auch respektierter Béla Varga, der ehemalige Präsident der Nationalverfassung auch eingeladen wurde, und dass er auf seine Position hier und jetzt – vor dem Haus des Parlaments – verzichtete, die verbindet mit der Vergangenheit und mit der Emigration. Diese sind gesunde Zeichen.“ [10]

Teil des Bildberichts von Hajdú-Bihari Napló (Quelle: ADT)

Im Hajdú-Bihari Napló erschien auch ein Interview mit Otto von Habsburg, worüber unter anderem Folgendes geschrieben wurde:

„Als Otto von Habsburg in Ungarn ankam, erklärte er Folgendes: schon dieses Jahr haben wir eine gute Chance Mitglied im Europarat zu werden. Auf unserer Frage erzählte er, dass sich das Prestige unserer Heimat im Ausland in letzter Zeit erhöhte. Dazu trugen die Umwertung des Aufstandes im Jahre 1956 und die Stationen zu dem freien, demokratischen Ungarn. Die Anerkennung zeigt sich in den westlichen Medien auch.“ Jedoch betonte der ehemalige Thronfolger: „In den westlichen Medien erschienen aber auch solche Feststellungen, die unseren guten Ruf eher untergraben: erneuter Nationalismus, Antisemitismus, usw. – Leider als sich die Parteien gegenseitig beschimpften, Ungarn stellte auch seine Schattenseiten vor. Aber ich glaube nicht, dass die Letzteren so bedeutend wären.“ [11]

Zum Schluss ist Otto von Habsburg längerer Artikel mit dem Titel Rechtzeitige Demokratie auch erwähnenswert, mit dem er auf diesem Anlass vom 2. Mai reflektierte. Der Artikel erschien am 18. Mai 1990 in der Zeitung Magyar Nemzet. Dieser Beitrag fasst Otto von Habsburgs Ratschläge zusammen. Hier können Sie den vollständigen Artikel auf Ungarisch lesen:

(Quelle: ADT)

Otto von Habsburgs schrieb seinen Beitrag in einem gegebenen Kontext, vor 30 Jahren. Seitdem entstand Ungarns neues, endgültiges Verfassungsystem. Das Wichtigste ist aber, dass die Geistigkeit im Hintergrund wahrscheinlich heute auch bedeutend ist. Die Erinnerung nach 30 Jahren an die konstituierende Sitzung des ersten ungarischen Parlaments nach der Wende und an Otto von Habsburgs Präsens und Aussage ist eine gute Möglichkeit, seine verantwortlichen politischen Anschauungen wieder zu entdecken, die auch für unsere heutige Herausforderungen nützlich sein können.

Gergely Fejérdy

 

[1] Das Schicksal einer Nation steht vor dem Parlament., 1. 3. Mai 1990.

[2] Otto von Habsburg Stiftung, Otto von Habsburg Sammlung (HOAL), I. 1. c. Briefwechsel des Ungarischen Sekreteriats, 1990. Mátyás Szűrös.

[3] Ungarisches Telegramm-Büro, Nachrichtenarchiv, 1988-, 1. Mai 1990 Budapes, www.mti.hu (Heruntergeladen: 29.04.2020).

[4] Anfang einer neuen Ära im Leben unseres Volkes, Zeitung Új Ember, 1. 13. Mai 1990.

[5] Siehe: https://www.parlament.hu/naplo34/001/001tart.html (Heruntergeladen: 28.04.2020).

[6] https://www.parlament.hu/naplo34/001/0010008.htm (Heruntergeladen: 28.04.2020).

[7] Zum Beispiel das französische Le Monde: Hongrie: première réunion du nouveau Parlement M. Jozsef Antall est chargé de former le gouvernement. Le Monde, Mai 1990. 4. https://www.lemonde.fr/archives/article/1990/05/04/hongrie-premiere-reunion-du-nouveau-parlement-m-jozsef-antall-est-charge-de-former-le-gouvernement_3956296_1819218.html (Heruntergeladen: 29.04.2020).

[8] Das Haus „T”, Mai 1990, Zeitung Magyar Nemzet, 3. 3. Mai 1990.

[9] Brückenkopf im Europäischen Parlament. Zeitung Népszava, 4. 3. Mai 1990.

[10] Benő Józsa: Unser Übergang erfolgt ohne Bruch… Zeitung Veszprémi Napló, 3. 9. Mai 1990.

[11] Otto von Habsburg: Ich unterstütze die individuellen Wahlkreise, Zeitung Hajdú-Bihari Napló, 2. 3. Mai 1990.