Wie wir bereits auf unserer Website berichtet haben, jährt sich der Geburtstag von Otto von Habsburgs Ehefrau am 6. Januar 2025 zum 100. Mal. Aus diesem Anlass haben unsere Stiftung und die Meininger Museen gemeinsam eine Ausstellung mit dem Titel „Regina von Habsburg, Prinzessin von Sachsen-Meiningen“ im Schloss Elisabethenburg in Meiningen organisiert. Die Familie lebte in der Zwischenkriegszeit in einem Teil dieses Schlosses und auch in der nahe gelegenen Veste Heldburg, die ebenfalls in ihrem Besitz war und die Regina später als Schauplatz einer glücklichen, unbeschwerten Kindheit in Erinnerung hatte. Die Eröffnung der Ausstellung fand am 28. November 2024 statt.
Im Rahmen der Ausstellung haben wir die Persönlichkeit und das Leben von Prinzessin Regina von Sachsen-Meiningen nur in großen Zügen darstellen und dabei einige wichtige Aspekte hervorheben können – teils aufgrund der begrenzten Platzmöglichkeiten und teils aufgrund der Tatsache, dass das Thema bisher kaum erforscht wurde. Diesmal ebenso verzichten wir auf eine ausführliche Biografie. Die Dokumente im Archiv der Stiftung – Korrespondenz zwischen Regina und Otto und Königin Zita – geben aber einen interessanten Einblick in die Beziehung zwischen ihnen und werfen ein interessantes Licht auf die Position der neulich in die Familie Habsburg „eingeheirateten“ Regina und bis zu einem gewissen Grad auch auf ihre Persönlichkeit.
Regina von Sachsen-Meiningen, ca. 1937
(Foto: Archiv Stefan Rose)
Wie in einem früheren Artikel erwähnt, verlobten sich Otto und Regina an Weihnachten 1950 in Seeheim am Starnberger See in einem Haus, das ungefähr zu dieser Zeit von Reginas Mutter, Gräfin Klara von Korff Schmising-Kerssenbrock, gebaut wurde. Dem freudigen Ereignis gingen eine Reihe von Familientragödien voraus: Im Mai 1940 starb der erstgeborene Sohn Anton Ulrich (1919-1940) im Krieg an der französischen Front, und im August 1945 deportierte der sowjetische Geheimdienst den Vater, Prinz Georg III von Sachsen-Meiningen, der im Januar 1946 in einem Krankenhaus eines Kriegsgefangenenlagers in Tscherepowez, Russland, starb. Die Familie wurde vollständig enteignet und Klara musste mit ihren beiden Kindern, Friedrich Alfred (1921-1997) und Regina, aus Thüringen fliehen. Sie lebten eine Zeit lang in Bamberg. Regina studierte Philosophie und Theologie, während ihr Bruder Fritzi sich für den Priesterberuf entschied und ins Priesterseminar eintrat; er wurde 1950 zum Priester geweiht. Daher versuchte Frau Klara für sich und Regina in Bayern ein neues Zuhause zu schaffen. Doch Regina, die inzwischen zwei Jahre im Sacré Coeur in München verbracht und einen Kurs in Sozialarbeit gemacht hatte, lebte hier nur kurz und heiratete 1951 Otto von Habsburg. Das erste gemeinsame Zuhause des Paares befand sich in Clairefontaine-en-Yvelines, unweit von Paris.
Regina von Sachsen-Meiningen und Otto von Habsburg, 1951, Sacré Coeur, Paris
(Foto: Otto-von-Habsburg-Stiftung)
Von hier aus wurde Reginas Schreiben, das jetzt vorgelegt werden soll, an eine gewisse „Tante Putzi“ adressiert, datiert auf den 17. März 1952,[1] also kaum ein Jahr nach der großartigen Hochzeit von Otto und Regina in Nancy. Aus dem Text des Briefes, von dem eine Kopie die Familie aufgehoben hatte, können wir schließen, dass Ottos Mutter bereits vorhatte, sich in ein Benediktinerkloster zurückzuziehen.
Levél_Regina Tante Putzinak Zitáról 19520317
Angesichts des familiären Hintergrunds ist es nicht schwer zu erraten, wer „Tante Putzi“ war, der Regina von einem so ernsten Thema mit so großer Sorgfalt, Rücksichtnahme, feiner Sensibilität, Liebe und Respekt – und sogar noch mehr: mit Demut – schrieb.[2] Drei von Zitas leiblichen Schwestern, die aus der zweiten Ehe von Prinz Robert von Bourbon-Parma mit der portugiesischen Infantin Maria Antonia hervorgingen, wählten die klösterliche Berufung: Maria Adelaide (1885-1959), Francesca (1890-1978) und Maria Antonia (1895-1977) waren alle Benediktinerinnen. Sie alle lebten bis zu ihrem Tod im Benediktinerinnenkloster St. Cäcilia in Solesmes (Sarthe, Frankreich). Adelaide nahm den Ordensnamen Maria Benedicta an und lebte eine Zeit lang im Benediktinerinnenkloster auf der Isle of Wight, wo Zita nach Abschluss ihres Studiums fast ein Jahr verbrachte, zu einer Zeit, als das Kloster auf französischem Gebiet nicht betrieben werden durfte.[3] Adelaide (d. h. Schwester Maria Benedicta) starb 1959 als Äbtissin des Klosters von Solesmes. Der Brief ist sicherlich an sie, die Oberin des Klosters, gerichtet, da Regina schreibt: „da Sie in dieser Frage doch wohl auch mitzureden haben.” Gleichzeitig wäre es plausibel, dass Zita sich zu ihren drei Schwestern im Benediktinerkloster angeschlossen haben wollte. Konkreten Details darüber wurden aber noch keine gefunden. Tante Cicca, die am Ende des Briefes erwähnt wird, kann als Francesca identifiziert werden, eine weitere Schwester von Zita.
Regina von Sachsen-Meiningen bei ihrer Hochzeit am 10. Mai 1951 in Nancy
(Foto: Jean-Jacques Puton)
Reginas Brief wirft eine ernste Frage auf: Es scheint, dass die exilierte, seit fast dreißig Jahren verwitwete Kaiserin und Königin sich überlegte, wie sie ihr Leben weiterführen sollte, und dass sie eine andere Vorstellung hatte, als ihre Kinder für angemessen hielten. Die Informationen von Ottos Geschwistern und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen, die sich aus dem Brief ergebende Situation und die Überlegungen dazu sind nur ein Aspekt davon, inwieweit Regina und Otto und ihre Geschwister Zitas gesundheitlichen Zustand und den klösterlichen Lebensstil für vereinbar hielten. In den Zeilen, die an die Tante ihres Mannes gerichtet sind, zieht die Verfasserin eine Bilanz der Folgen, die Zitas geplanter Intention für das Leben der Familie ausüben würde. Sie ist der Ansicht, dass Zitas Absicht – der Rückzug aus der Welt und daher die zusätzlichen Opfer, die über das bisher Geleistete hinausgehen – auch den Rest der Familie betrifft. Regina und ihre Schwäger und Schwägerinnen sind der Meinung, dass die ehemalige Kaiserin und Familienmutter, die ein turbulentes, man könnte sagen ruheloses Leben hatte führen müssen, den „Kindern“ noch sehr viele Werte vermitteln könnte. Es wäre wichtig, dass Sie Ihre Familienmitglieder weiterhin mit Ihren Ratschlägen und Ihrer Erfahrung unterstützt. Darüber hinaus hält Regina es für äußerst wichtig, dass „Sie ist doch auch die einzige, die uns Kindern (bisher 15) [4] das Vermächtnis von Papa [Bedeutung: Vater von Otto, Kaiser Karl] übermitteln kann, das für unser Leben doch absolut wegweisend ist.“
Regina trägt all dies der Äbtissin-Tante in respektvoller und bescheidener Weise vor. Schon die vertraute Anrede (Tante) deutet darauf hin, dass Regina sich als vollwertiges Familienmitglied äußert, und ihre Meinung sowohl in ihrem eigenen als auch im Namen von Zitas Kindern vertritt. Nicht nur in diesem Fall gibt es viele Anzeichen für ihre Aufnahme in die Familie Habsburg: Zita selbst schrieb ihr mehr als einmal sehr liebevoll, in einem herzlichen, warmen, anerkennenden Ton, der ihre Wertschätzung zeigt. Nur zwei Beispiele sollen dies verdeutlichen.
Eine Woche vor Reginas Brief an Tante Putzi (am 10. März 1952) schrieb Zita kurz an Regina aus ihrem Wohnort Tuxedo (USA)[5]:
“Liebe Regina!
Nun war Otto 24 Stunden bei uns und haben wir seine kurze Anwesenheit riesig genossen. Allerdings muss ich hinzufügen, dass uns Otto ohne Dir nur mehr ein halber Otto ist. So hast Du uns sehr gefehlt!“
(Aus diesem Brief geht auch hervor, warum nicht Otto an Tante Putzi geschrieben hat: Er war zu dieser Zeit auf seiner üblichen Vortragsreise in den Vereinigten Staaten.)
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In einem etwas späteren Brief aus Berg[6] vom 27. Februar 1953 schreibt Zita an Regina:
,,Was Du mir wegen der Freude der älteren Oesterreicher sagst, mich wiederzusehen und dass ich die wirkliche und echte Landesmutter[7] sei, muss ich doch einwerfen, dass ich wohl der wirkliche und echte Landesgrossmutter bin: die echte und wirkliche Landesmutter bist, seit dem 10. Mai 1951, Du meine liebe Regina. Und ich danke dem lieben Gott jeden Tag aus tiefstem Herzen dafür, dass Er eine so grossartige Wahl getroffen hat und den mir so heissgeliebten Ländern eine solche Mutter ausgesucht hat. Du bist schon die Richtige!!! … Du und Otto aber seid die Gegenwart und die Zukunft! Und wenn das Baby dabei ist, dann noch viel mehr. Und der liebe Gott möge Euch tausendfach segnen, dass Ihr sie noch viel glücklicher gestalten könnt, als die Vergangenheit war.“[8]
Autografe Fotopostkarte von Regina an Zita, 1957
(Foto: Otto-von-Habsburg-Stiftung)
Viele Fotos zeigen, dass die beiden Frauen, Zita und Regina, auch in den späteren Jahren ein gutes Verhältnis pflegten. Dies beruht sicherlich auf Reginas bescheidener, respektvoller und liebevoller, unterstützender Haltung sowohl gegenüber ihrem Ehemann als auch dessen Mutter. Sie schrieb an Tante Putzi: „Ich verehre und liebe Mama aus vollem Herzen und ich danke Gott sehr, dass ich sie noch kennenlernen durfte.“
Während ihres gesamten gemeinsamen Lebens mit Bedacht und sich im Hintergrund haltend unterstützte und begleitete Regina Ottos Tätigkeit, war sich aber ihrer Aufgabe und deren Bedeutung voll bewusst. Sie begleitete ihren Mann an unzählige Orte auf der Welt und stand ihm auch in schwierigen Situationen als würdige Begleiterin zur Seite.[9]
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Bei der Eröffnung der Ausstellung in Meiningen anlässlich des 100. Geburtstags von Regina erinnerte eine ihrer Töchter, Gabriela von Habsburg, in einer persönlichen Rede an ihre Mutter:
,,Über meinen Vater sind schon unendlich viele Reden gehalten worden. Es gibt 100te von Anekdoten und spannende Geschichten über meinen Vater, aber meine Mutter war sicherlich eine ebenso überragende Persönlichkeit, nur war sie immer bescheiden und im Hintergrund, deshalb wurde kaum je über sie allein geredet!
Das war auch eine gute Arbeitseinteilung zwischen meinen Eltern. Mein Vater war das Familienoberhaupt aller Habsburger, aber meine Mutter war das Zentrum und die Seele unserer Familie.
Meine Mutter war ein tiefgläubiger Mensch. Sie hat uns die katholische Religion auf eine sehr überzeugende Weise vorgelebt.
Das Wichtigste war alles auf eine liebevolle und auch fröhliche Art anzugehen. Sie hat an allem und jedem eine gute Seite gefunden. Sie hat niemals über jemanden schlecht geredet. Mein Vater hat lachend gesagt, dass sie sogar über den Teufel sagt: er ist fleißig!
Sie hatte einen unglaublich feinen Humor, wir haben zusammen immer viel gelacht. Allerdings hat sie es fertiggebracht sehr witzig zu sein, aber niemals auf Kosten anderer. Und das ist gar nicht so leicht, wir finden die besten Witze sind über die Schwächen anderer.
Sie war das beste Vorbild, das einem begegnen konnte! Tiefer Glaube, große Fröhlichkeit und alles wurde mit Liebe gemacht. Mein Sohn hat als kleiner Junge einmal zu mir gesagt: wenn man die Omama als Großmutter hat, dann kann man kein schlechter Mensch werden.“
Reginas Brief aus dem Jahr 1952 spiegelt dieselbe liebevolle Einstellung und Wertschätzung für andere, denselben Respekt und dasselbe Wohlwollen wider – von vor mehr als 70 Jahren. Ihr tiefer Glaube ermöglichte es ihr, ihre klaren Gedanken und Absichten bereitwillig dem Willen Gottes zu unterwerfen, wie sie es auch zum Zeitpunkt ihres Todes im Jahr 2009 tat. Wir werden sicherlich noch viele weitere interessante Details aus ihrem Leben entdecken, da sie die Wendepunkte des 20. Jahrhunderts durchlebte, große Verluste und Freuden erlebte und bereitwillig den ihr zugewiesenen Platz in der Welt akzeptierte. Wir möchten noch hinzufügen, dass die Fotos im Archiv unserer Stiftung auch die Freudigkeit zeigen, die ihr über die Schwierigkeiten hinweggeholfen und sie durch die freudigen Ereignisse ihres Lebens begleitet hat, sodass sie nicht nur für ihre Kinder und Enkelkinder, sondern auch für die Menschen von heute im Allgemeinen ein Vorbild sein kann.
Eszter Fábry
Silberhochzeit von Otto und Regina, 1976, Mariazell
(Foto: Otto-von-Habsburg-Stiftung)
[1] HOAL I-2-a-Habsburg Regina (Clairefontaine, 17. März 1952). Die Unterlagen werden derzeit sortiert.
[2] Tante „Putzi“ war der Spitzname der ältesten Schwester von Königin Zita. Prinzessin Maria de las Nieves Adelaide Erika Pia Antonia Pia von Bourbon-Parma wurde am 5. August 1885 in Rorschach (Sankt Gallen), Schweiz, im Schloss Wartegg geboren. Sie war Benediktinerin, zunächst in Frankreich als Mutter Marie Bénédicte in der Abtei Saint Cäcilia in Rydes, Isle of Wight, Großbritannien, und dann bis zu ihrem Tod am 6. Februar 1959 als Priorin in der Abtei Saint Cäcilia in Solesmes, Frankreich.
[3] Wegen eines antiklerikalen Gesetzes, das 1901 in Frankreich in Kraft trat, waren die Mönche und Nonnen gezwungen, die Benediktinerabtei von Solesmes zu verlassen und nach Großbritannien auszuwandern. Sie durften erst 1922 zurückkehren.
[4] Regina denkt an diejenigen, die bereits verheiratet sind, und an diejenigen, die noch nicht verheiratet sind, aber ausgewählt wurden: Otto und sie selbst; Adelhaid (sie hat nie geheiratet); Robert und Prinzessin Margherita di Savoia-Aosta (⚭ 1953); Felix und Prinzessin Anna-Eugénie von Arenberg (⚭ 1952); Charles Louis und Prinzessin Jolande de Ligne ( ⚭ 1950); Rudolph und Prinzessin Xenia Chernichev-Bezobrazov (⚭ 1953); Charlotte (sie heiratete später); und an Elisabeth und Prinz Heinrich Karl von Liechtenstein (⚭ 1949). Zu diesem Zeitpunkt hatte Zita bereits ein Enkelkind.
[5] HOAL I-2-a-Habsburg-Lotaringiai Zita (Tuxedo, 10. März 1952). Die Unterlagen werden derzeit sortiert.
[6] In der Herzogsfamilie Bourbon-Parma zeigte sich bereits während des Ersten Weltkrieges und auch später in den Jahren des Exils die Solidarität und gegenseitige Unterstützung untereinander. Ein weiterer Beweis dafür ist die Tatsache, dass in den Briefen von Zita an Regina und Otto aus dieser Zeit, der Ort der Datierung des Briefes mehrfach Berg war. Zitas jüngerer Bruder Felix (1873-1970) war mit Großherzogin Charlotte von Luxemburg (1896-1985) verheiratet, sodass es verständlich ist, dass Zita zu dieser Zeit mit der Familie ihres Bruders im Großherzoglichen Palast von Berg in Luxemburg lebte.
[7] Landesmutter: Das Wort bedeutet Herrin, Herrscherin, Regentin. Zita benutzt ein Wortspiel, indem sie sich als „Landesgrossmutter“ bezeichnet.
[8] HOAL I-2-a-Habsburg-Lotaringiai Zita (Berg, 27. Februar 1953). Das erste Kind von Otto und Regina, Andrea Maria, wurde am 30. Mai 1953 in Würzburg geboren.
[9] In unserem Archiv befindet sich ein Brief von Ottos Schwester Adelhaid an Regina: HOAL I-2-a-Habsburg Adelhaid (Pöcking, 5. Juni 1967). Darin berichtet sie von einem unangenehmen Vorfall aus der Zeit, als Otto und Regina endlich nach Österreich einreisen durften. Bei einem ihrer Besuche in Seeham bewarfen vier Frauen und zwei Männer, die der Kommunistischen Partei angehörten, Ottos Auto mit einem Beutel roter Farbe. Die Farbe spritzte auf Otto und Regina und mehrere Mitglieder ihrer Entourage. Adelhaid schrieb ihrer Schwägerin: „Ich lege dir die Nachrichten aus der heutigen Ausgabe des Münchner Merkur über Seeham bei. In der gestrigen Abendausgabe muss es noch sensationeller gewesen sein, aber ich habe sie nicht gesehen. Hast du dich für immer rote Flecken auf deinem hübschen blauen Kleid bekommen?“