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Was ist die wahre Lingua franca? Otto von Habsburgs Rede vor dem Europäischen Parlament auf Lateinisch

Der Europäische Tag der Sprachen wird seit fast zwei Jahrzehnten am 26. September gefeiert. Aus diesem Anlass präsentiert unsere Stiftung Otto von Habsburgs Rede vor dem Europäischen Parlament auf Lateinisch aus dem Jahr 1979.

Was ist die wahre Lingua franca? Otto von Habsburgs Rede vor dem Europäischen Parlament auf Lateinisch

Der Europäische Tag der Sprachen wird seit fast zwei Jahrzehnten am 26. September gefeiert. Aus diesem Anlass präsentiert unsere Stiftung Otto von Habsburgs Rede vor dem Europäischen Parlament auf Lateinisch aus dem Jahr 1979.

Der Europarat rief den Europäischen Tag der Sprachen im Jahr 2001 ins Leben, um das Sprachenlernen auf dem Kontinent zu fördern, die sprachliche Vielfalt zu unterstützen und den Dialog zwischen den Nationen und Kulturen zu vertiefen. In mehreren Interviews betonte Otto von Habsburg, dass die Mehrsprachigkeit die Grundlage der europäischen Kultur sei, und er unterstrich die Bedeutung von Sprachkenntnissen in seinen Schriften und Vorträgen immer wieder.

Die Sprachkompetenz unseres Namensgebers beeindruckte nicht nur seine Kollegen, sondern auch seine politischen Gegner: Der polyglotte Erzherzog sprach fließend Deutsch, Französisch, Ungarisch, Englisch und Spanisch und hatte keine Schwierigkeiten, Italienisch, Portugiesisch und Kroatisch zu sprechen. Doch selbst angesichts seiner Sprachkenntnisse war es eine besondere Sensation, als er in der Plenarsitzung des Europäischen Parlaments am 14. November 1979 auf eine in Latein gehaltene Rede seines italienischen Kollegen Mario Capanna auf Latein antwortete. Der italienische Abgeordnete der extremen Linken, der sich als einer der Anführer der Studentenunruhen von 1968 einen Namen gemacht hatte – und der seine Sprachkenntnisse während seines Philosophiestudiums in Mailand sicherlich verfeinert hatte – löste mit seiner kurzen Rede einen Moment der Panik in den Dolmetscherkabinen aus. Nur Otto von Habsburg konnte auf Capannas ursprünglich böse gemeinte Exposee reagieren. In wenigen Sätzen betonte er, dass er zwar mit dem Inhalt der Ansprache seines Kollegen nicht einverstanden sei, sich aber freue, dass sein Kollege ,,eine richtig europäische Sprache“ gewählt habe, um seine Meinung zu äußern.

Die beachtliche klassische Bildung unseres Namensgebers – die er zu einem großen Teil seinen benediktinischen Lehrern verdankte, darunter seinem Lateinlehrer Pater Jácint Wéber – kann nicht besser demonstriert werden, als durch den letzten Satz seiner Rede, in dem er einen Auszug aus Vergils Aeneis verwendet, um die Erhaltung und Pflege des Lateinischen der Nachwelt anzuvertrauen. Einige Zeilen geistreicher Schlagfertigkeit zeugen von der Auffassung Otto von Habsburgs, dass Intellekt und politisches Handeln eng miteinander verbunden sind, wobei ersteres mit einer Prise Humor auch in den trockensten politischen Debatten erfrischend ist.

Das wirklich Besondere an dieser Debatte war jedoch nicht ihr Inhalt, sondern die Tatsache, dass zwei Politiker mit sehr unterschiedlichen Werten und Gewohnheiten und auf verschiedenen Seiten des politischen Spektrums durch unser gemeinsames europäisches Erbe, durch ihre Kenntnis und Liebe zum Lateinischen, wenn auch nur für einen Moment, verbunden waren. Seine Rede aus dem Jahr 1979, die im Folgenden in vollem Wortlaut wiedergegeben wird, hat nicht nur das Ansehen Otto von Habsburgs unter seinen Kollegen erhöht, sondern ist auch für Sprachwissenschaftler und Philologen bis heute von großem Interesse.

 

Eszter Gaálné Barcs
Bence Kocsev

 

Lingua franca

 

Wir danken Dr. László Schramek, Hauptarchivar und Direktor des Komitatsarchivs Pest des Ungarischen Nationalarchivs, für seine Hilfe bei der Übersetzung.

 

Foto: Europäisches Parlament Multimedia 19800300019012