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„Keine Brücke, sondern Brückenkopf!“ Ehrlicher Ost-West-Dialog über die europäische Rolle der V4-Staaten

Für unsere internationale Online-Konferenz mit dem Titel Die Rolle der Visegrader Kooperation in Europas Zukunft am 11. Mai 2021 meldeten sich 130 Interessenten an. Die Relevanz des Themas und unserer Referenten zeigen sich auch daran, dass die Interessenten aus sieben verschiedenen Ländern kamen.

„Keine Brücke, sondern Brückenkopf!“ Ehrlicher Ost-West-Dialog über die europäische Rolle der V4-Staaten

Für unsere internationale Online-Konferenz mit dem Titel Die Rolle der Visegrader Kooperation in Europas Zukunft am 11. Mai 2021 meldeten sich 130 Interessenten an. Die Relevanz des Themas und unserer Referenten zeigen sich auch daran, dass die Interessenten aus sieben verschiedenen Ländern kamen.

Für unsere internationale Online-Konferenz mit dem Titel Die Rolle der Visegrader Kooperation in Europas Zukunft am 11. Mai 2021 meldeten sich 130 Interessenten an. Die Wichtigkeit des Themas, die Relevanz der Referenten und die Vorteile des Online-Formats zeigen sich auch daran, dass außer den ungarischen Interessenten Studenten aus Polen, Frankreich, Deutschland, Spanien, Bosnien-Herzegowina und aus dem Vereinigten Königreich auch im virtuellen Raum anwesend waren. Im Anschluss an die Vorträge führten die Referenten und die Teilnehmer einen regen Gedankenaustausch.

Nach den Einleitungsworten des Direktors der Otto-von-Habsburg-Stiftung und des Instituts für Strategische Studien an der Nationalen Universität für den Öffentlichen Dienst, Gergely Prőhle, eröffnete die Exekutivdirektorin des Internationalen Visegrád-Fonds, Edit Szilágyiné Bátorfi, die Konferenz. Die weiteren Vorträge wurden von dem ehemaligen französischen Außenminister, Hubert Védrine, von dem Abgeordnetem im Europäischen Parlament und ehemaliger polnischer Ministerpräsident und ehemaliger Präsident des Europäischen Parlaments, Jerzy Buzek, und von dem ehemaligen ungarischen Außenminister, János Martonyi gehalten.

In seinen Einleitungsworten betonte Gergely Prőhle, dass das Originalziel der V4-Staaten –warum sie vor 30 Jahren einen Bund schlossen – war, um mit gegenseitiger Hilfe so schnell wie möglich zum Mitglied der euro-atlantischen Kooperation zu werden. Obwohl die Kooperation in den letzten drei Jahrzehnten viele unerwartete Wendungen nahm, stieg die Relevanz der vier Mitgliedstaaten in der Europäischen Union in den letzten Jahren wesentlich. Der Gastgeber teilte auch mit, dass das Datum der Konferenz nicht zufällig nahe am Jubiläum des Europa-Tages (9. Mai) liegt, da Europas östliche und westliche Teile durch die europäische jüdisch-christliche Kultur verbunden sind, auch wenn sie heute über einige Fragen nicht einig sind. Er fügte hinzu: „Wenn Otto von Habsburg als Abgeordneter im Europäischen Parlament auch in den Jahren des Kalten Krieges daran glaubte, dann haben wir auch keinen Grund, um kleinmütig zu sein.“

Die Exekutivdirektorin des Internationalen Visegrád-Fonds, Botschafterin Edit Szilágyiné Bátorfi, betonte, dass Europas Wiedervereinigung ohne die V4-Staaten nicht möglich gewesen wäre, und dass die Visegrader Staaten eine besondere Rolle bei der Gestaltung des europäischen Schicksaals haben. Ziel des Visegrád-Fonds – der von ihr geleitet wird – ist, die innere Kohäsion der Mitgliedstaaten zu verstärken, die innere Kultur und Welt der Länder miteinander bekanntzumachen, und auch die Beziehung der V4-Staaten zu anderen EU-Mitgliedern zu entwickeln. Die Kooperation der wissenschaftlichen Zentren, der Zivilorganisationen und der Kunstgruppen helfen das Netzwerk aufzubauen, das diese Region und den Kontinent außer den politischen Absichten und wirtschaftlichen Interessen verbindet.

In dem Vortrag des ehemaligen französischen Außenministers, Hubert Védrine, stellte er die Beziehung zwischen Europa und den V4-Staaten im weltpolitischen Zusammenhang dar. Bezüglich Russlands und Chinas betonte er nachdrücklich, dass man beide Fällen ziemlich vorsichtig und differenziert behandeln sollte. Dies bedeutet in der politischen Sprache, dass man die zu strenge gemeinsame Kooperation der zwei östlichen Mächte gegen die transatlantischen Kräfte verhindern muss. Er unterstrich, dass die Perspektive der Experten und Diplomaten ziemlich anders als die Sicht der französischen Bürger ist. Laut Védrines Erfahrung sind die Franzosen nicht gerade „begeistert“ von dem Europa-Gedanken, sondern eher skeptisch. Meistens „stellen sie sich selbst in den Mittelpunkt, so haben die meisten gar keine Information darüber, von welchen politischen Kräften Europa heute gesteuert wird.“ Allerdings sollte Europa seine wichtige Rolle als strategisch-koordinatorischer Aufmerksamkeitserreger erfüllen. Der ehemalige Außenminister zitierte Tocqueville, laut wem die Demokratien die Probleme hysterisch behandeln, weshalb die meisten französischen Bürger ihre Meinung über die lokalen Verhältnisse auf die gemeinsamen Angelegenheiten des Kontinents übertragen. Über Mitteleuropa sagte er, dass er schon als Präsident Mitterands Berater mehr als hundert für die Region besonders wichtige Treffen organisierte, und auch heute davon fest überzeugt ist, dass Europa die V4-Kooperation viel mehr ernster nehmen sollte. Er wies auf den Konflikt über die Migration hin, die die europäischen Eliten entzweit, und betonte die Relevanz des zivilisatorischen Aspekts, den in Mitteleuropa viel mehr vor Auge gehalten wird als woanders. Seiner Meinung nach sollte man die kritiklose Betonung der humanitären Aspekte mit den zivilisatorischen Vorschriften des Flüchtlingsrechts, das ziemlich objektive Aspekte hat, nicht verwechseln.

Der Abgeordneter im Europäischen Parlament und ehemalige Regierungschef von Polen, Jerzy Buzek, erinnerte daran, dass die heutigen V4 natürlich nicht die gleichen sind, die sie vor 10, 20 oder 30 Jahren waren, aber die mitteleuropäischen Staaten verfügen über Integrationserfahrungen schon seit Jahrhunderten. Der Politiker betonte, dass die offene Basis des bürgerlichen Staats, die zur Kooperation veranlasst – wodurch die Visegrader Staaten ursprünglich charakterisiert waren –, in den Mittelpunkt zu stellen würde sich lohnen. Laut ihm kann man dies nur von unten entwickeln, und mithilfe von zivilgesellschaftlichen Lösungen erreichen. Er denkt, dass die Visegrader Staaten drei wichtige gemeinsame Eigenschaften haben: zuerst die „Flucht vor dem Osten“, die Zugehörigkeit zu der westlichen Wertvorstellung; zweitens die Solidarität, die Schicksalsgemeinschaft; und zuletzt das Ausgleichen der partikularen und universalen Werten, also zu vermeiden, dass entweder die europäischen oder die nationalen Interessen die Oberhand gewinnen.

Am Anfang seines Vortrags betonte Ungarns ehemaliger Außenminister, János Martonyi, dass die mitteleuropäische Identität existiert, aber nicht als ein unabhängiges Zugehörigkeitsgefühl, sondern als Bestandteil der europäischen Identität. Um dies darzustellen – hinsichtlich seines anwesenden ehemaligen Kollegen und Freunds – zählte er die für ihn charakteristischsten Eigenschaften der mitteleuropäischen Identität auf Französisch auf: diversité, intensité, sensibilité, créativité, nervosité, névrose, mélancolie, pessimisme, angoisse/Angst, complexe d’infériorité, complexe de supériorité. Im Hinblick auf die selbstironische Bemerkung von Hubert Védrine betonte er: „unser Selbstbild ist oft falsch, wir denken, dass wir größer sind als in der Wirklichkeit“, aber um unsere Werte und Interessen „kämpfen“ wir immer, auch wenn unsere Situation ausweglos zu sein scheint. Martonyi erinnerte daran, dass wir ohne das Christentum unsere nationale Identität nicht behalten können hätten, dieser Zusammenhang spielt eine große Rolle in der Entwicklung unserer Geschichte.

Laut dem ehemaligen Außenminister spielen die V4-Staaten wegen ihrer geografischen Lage eine wichtige Rolle in der Integration, in der gemeinsamen Außenpolitik und in der Aufrechterhaltung der äußeren Handelsbeziehungen. Hinsichtlich des Letzteren erwähnte er die Rolle der Östlichen und Südlichen Partnerschaft. Martonyi teilte mit, dass es über die Anerkennung der Grundwerte keinen Konflikt zwischen den Mitgliedstaaten gibt, aber er betonte, dass das Verbreiten der grundlosen Aussagen durch die Medien eine schädliche Wirkung ausübt. Der Politiker stellte fest: er ist davon überzeugt, dass Mitteleuropa in der Europäischen Union bleibt, nicht austritt, und zu dem europäischen Aufbau beiträgt, da die Länder der Region über den Unterschied zwischen der Differenzierung und der Fragmentation im Klaren sind. Er fügte hinzu, dass die V4-Staaten eine solche regionale Kooperation bilden, die Grundlage der europäischen Integration ist, und mehrere ähnliche Kooperationen in Europa nötig wären: „Mitteleuropa und – darunter Ungarn – ist keine Brücke zwischen Ost und West, sondern ein Brückenkopf. Deshalb muss es stabil sein, sonst stürzt die Brücke um.

Um die Frage des Publikums zu beantworten, was die Rolle der Jugendliche bezüglich der Zukunft der V4-Staaten sein kann, teilte Edit Bátorfiné Szilágyi mit, dass es sehr wichtig ist, die kritische und differenzierte Denkweise zu bewahren und die gemeinsamen Grundwerte, die Sprache und Kultur der Mitglieder kennenzulernen.

Hier können Sie sich die Konferenz in ungarischer, englischer, französischer und polnischer Sprache ansehen: