In den biografischen Werken von Otto von Habsburg geht es meistens überhaupt nicht, oder ganz kurz um die Tätigkeit des ehemaligen Thronfolgers im Zusammenhang mit dem Ungarischen Volksaufstandes 1956. Keine von denen erwähnt, dass Otto am 28. Oktober 1956 eine Proklamation auf Ungarisch veröffentlichte, in der er die Ereignisse in Budapest und die Sternstunden der ungarischen Geschichte begeistert parallelisierte. Unter anderem betonte er, dass die Revolutionärer „die Vorkämpfer der christlichen Prinzipien, unserer heiligen Freiheit und unseres Ungarntums sind.“ [1]
In der Sammlung, die von der Otto-von-Habsburg-Stiftung behandelt wird, verblieb die erste, von dem Thronfolger selbst korrigierte Version. Den ungarischen Text schrieb er nach der Umänderung der Nagy Imre-Regierung vom 27. Oktober, als infolge der Ereignisse einige Änderungen erfolgen zu schienen. Otto von Habsburg wurde schon am 24. über die ungarischen Ereignisse informiert und erkannte ihre Wichtigkeit sofort. Wegen seines breiten sozialen Netzwerks – unter anderem die von Ferenc Marosy geführte emigrierte Königliche Ungarische Gesandtschaft – war er besonders gut informiert. An dem vorgenannten Tag schrieb er in sein Tagebuch Folgendes: „Ausschreitung in Ungarn“. Am nächsten Tag: „Der Aufstand scheint zu dauern“. [2] Am 26. Oktober bat er Ferenc Marosy, um seine Bitte an „Generalissimus“ Franco zu vermitteln: er wollte Spanien bitten, sich gegen den sowjetischen Eingriff in Ungarn in der Vereinten Nationen zu verwahren. [3]
Schmierzettel der Proklamation …und die Reinschrift
Am 23. war Otto von Habsburg in Belgien, und kehrte nur am 26. nach Pöcking zurück. Nach seiner Heimkehr wollte er den Aufstand – seinen Möglichkeiten entsprechend – aktiv unterstützen. Als erster Schritt schrieb er die vorher erwähnte Proklamation. Diese schickte er mit seinem Sekretär August Lovrek an Graf László Batthyány nach Wien, und bat ihn den Text auszudrucken und in Ungarn zu verbreiten. Er nahm aber den Text auch auf Tonband auf, und schickte ihn am 29. Oktober nach Madrid, [4] wo die Aufnahme mithilfe von dem Gesandter Ferenc Marosy in der ungarischen Sendung des spanischen Radios gespielt wurde. Auf seine Bitte hin wurde Ottos Aufnahme mehrmals gespielt. Die Proklamation fand zwischen den derzeitigen – meistens in spanischsprachigen Ländern lebenden – ungarischen Emigranten deutlichen Widerhall, aber mit der Zeit geriet sie in Vergessenheit. 64 Jahren nach dem Aufstand tauchte der Text jedoch auf, und gedenkt den Helden des Freiheitskampfs auf eine würdige Weise. Die Proklamation spiegelt Otto von Habsburgs Gedanken und Hoffnungen im Zusammenhang mit dem Ungarischen Aufstand 1956 deutlich wider, und sein Engagement für Ungarn ist auch spürbar.
Gergely Fejérdy
[1] Otto-von-Habsburg-Stiftung, Otto von Habsburg Sammlung, Korrespondenz, amtliche Korrespondenz des Sekretariats, HOAL I–1–b–1956 Proklamation 1956 (Schriftgutorganisation im Prozess)
[2] Baier, Stephan – Demmerle, Eva: Otto von Habsburgs Leben. Budapest, Európa, 2003, 252–253.
[3] Ferrero Blanco, Maria Dolores: La Revolucion Hungara de 1956. El despertar democratico de Europa del Este. Universitad de Huelva, 2018, 330.
[4] HOAL I–1–b–1956–Otto von Habsburg 28. Oktober 1956